Full text: [Teil 5 = achtes (und neuntes Schuljahr)] (Teil 5 = achtes (und neuntes Schuljahr))

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75. Der Raub Straßburgs. 
Leopold von Ranke. Franz. Geschichte, vornehml. im 16. u. 17. Jahrhundert. 
4. Aufl. Leipzig, 6877. 
— So umfassend und empfindlich die Verluste waren, welche das 
Reich durch den Frieden von Münster erlitt, so lag doch noch fast 
ein größerer Nachteil in den Verwicklungen, in die es dadurch mit 
Frankreich geriet. Einen unheilvolleren hat es nie geschlossen. Eben 
aus diesen Verhältnissen sind anderthalb Jahrhunderte später die 
Irrungen hervorgegangen, welche den Krieg mit dem in der Revolu— 
tion begriffenen Frankreich hervorgerufen ünd dadurch den Umsturz 
des Reichs selbst veranlaßt haben. Aber auch schon die Feindselig— 
keiten zwischen dem Frankreich und dem Deutschland des siebzehnten 
Jahrhunderts nährten sich an ihnen. 
Ludwig XIV. glaubte eine neue politische Grundlage für die 
Ausführung seiner militärischen Entwürfe gewonnen zu haben; eben 
das war sein Ehrgeiz, alle feine Ansprüche, so zweifelhaft sie auch 
sein mochten, jedem anderen zum Trotz zur Geltung zu bringen. 
Indem die Welt hoffte, sich der Herstellung der allgemeinen Ruhe zu 
erfreuen, schritt er, diese durchbrechend, zu den Unternehmungen, die 
er sich vorgenommen hatte, fort, ohne alle Rücksicht auf die Rechte 
der anderen. Er wendete vielmehr eine lediglich der französischen 
Ordnung der Dinge entsprechende Form auf sie an. Sein Verfahren 
war folgendes: 
Die Bischöfe von Metz, Toul und Verdun, ohnehin Geschöpfe 
von Ludwigs Hand, wurden aufgefordert, die zu ihren Bistümern 
gehörigen Besitzungen und Rechte, wie einst von dem Kaiser, so jetzt 
von dem König zu Lehen zu nehmen. Sie antworteten, davon sei so 
viel abgekommen und ihnen entrissen, daß sie es nicht einmal anzu— 
geben vermöchten; sie baten um einen Gerichtshof, vor welchem die 
im Laufe der Zeit geschehenen Usurpationen untersucht werden könnten. 
Hierauf ward in dem Parlamente zu Metz eine besondere Abteilung 
zu diesem Zwecke gebildet; die Bischöfe legten ein langes Verzeichnis 
von Inhabern solcher Güter, die ihren Kirchen entrissen, und von 
Vasallen, die ihrer Lehenspflicht nicht eingedenk seien, vor. Gleich, 
als sei ein französisches Parlament ein allgemeiner europäischer Ge— 
richtshof, wurden nun die ersteren von seiten des Gerichts zur Verant— 
wortung vorgeladen, die zweiten aber, welches auch übrigens ihre 
Stellung sein mochte, aufgefordert, keinen anderen Souveran anzu⸗ 
erkennen als den König, noch einen anderen Gerichtshof als das 
Parlament zu Metz. Auf den Grund, daß die Rechte des Reiches in 
den Bistümern sämtlich an ihn übergegangen seien, stellte sich Ludwig 
als Oberlehnsherr aller derer auf, welche ihm als Vasallen der 
Bistümer bezeichnet wurden. Was ihm dies bedeutete, sieht man 
daraus, daß er unter anderen Nomeny in Anspruch nahm, worauf 
die Reichsstandschaft der Herzoge von Lothringen beruhten Aber auch
	        
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