Full text: [Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband]] (Teil 2 = Oberstufe, [Schülerband])

215. Der deutsch-französische Krieg. VI. 431 
vorhalten müssen, sie schieben die Schuld immer auf solche, die nicht mehr 
da seien. So haben denn auch die Franzosen gemeint, nachdem die Kaiserin 
geflohen, der Kaiser gefangen, und also das Regiment, welches den Krieg an⸗ 
gefangen, gestürzt war, dürfen ihnen die Deutschen nichts mehr zu leid thun, 
sondern müssen wieder heimgehen und genug haben, wenn man ihnen nur 
bezahle, was sie der Krieg gekostet. Aber mit dieser Rechnung konnte Deutsch⸗ 
land sich nicht zufrieden geben; es mußte dem unruhigen Nachbar für den 
ohne allen gerechten Grund uns aufgezwungenen Krieg noch eine andere Buße 
auferlegen und sich vor allen Dingen nach einem sichern Unterpfand für künf⸗ 
tiges Friedehalten umsehen. Bei diesem Kriege am wenigsten durfte man sich 
mit einer bloßen Geldabfindung begnügen. War er doch mit der ausge⸗ 
sprochenen Absicht angefangen, uns von unserem deutschen Land ein gutes 
Stück zu nehmen. überhaupt wer mutwillig ein Kriegsfeuer angezündet und 
Blutschuld auf sich geladen hat, dem geschieht nur sein Recht, wenn man ihn 
empfindlich fühlen läßt, was es heißt, den Frieden zu brechen, Tausende von 
Menschen von der nährenden Arbeit wegzureißen, blühende Jünglinge, kräftige 
Männer, Familienväter ins Feld zu nötigen, wo Tod, Wunden, Verkrüp⸗ 
pelung und Siechtum ihnen drohen. Als daher die von den Franzosen ein⸗ 
gesetzte sogenannte „Regierung der nationalen Verteidigung“ ihren Minister 
in das deutsche Hauptquartier schickte, um wegen des Friedens zu verhandeln, 
und dieser dem Kanzler Bismarck stolz erklärte, kein Fuß breit Land und kein 
Stein von einer Festung werde abgetreten, da mußte das Kämpfen von neuem 
angehen. 
2. Paris wurde von den Deutschen eingeschlossen und belagert, und da es 
sehr fest und außerhalb seiner Ringmauer mit vielen starken Werken umgeben 
war, auch in seiner Mitte eine halbe Million von Streitern und sehr große 
Vorräte hatte, so gab es lange Wochen hindurch fast tägliche Kämpfe, dazu 
ein mit viel Mühsal und Gefahr verbundenes Schildwachstehen im Angesicht 
des Feindes Tag und Nacht bei ungewöhnlich kaltem Winterwetter. Da war 
an keine Ruhe zu denken, und wer endlich abgelöst und an einen sichern Ort 
gelangt war, den ließ das Donnern der Geschütze, das Sausen und Platzen 
der Granaten oft nicht einmal den erquickenden Schlaf finden. Ein harter 
Ernst ist es gewesen und wie ein Wunder, daß doch so viele es aushielten, 
frisch und munter blieben. Aber sie stärkte das Vertrauen auf Gott, den 
mancher damals mit neuem Eifer suchen lernte, das Bewußtsein ihrer Pflicht 
gegen das teure Vaterland und der Gedanke an die Lieben in der Heimat, 
die ja auch an sie treulich im Gebet und reichlich durch manche Spende dachten 
zur Erfrischung und Erwärmung in der großen Kälte des frühen Winters 
sowie zu deutscher Weihnachtsfreude in der Fremde. Das war eine herz⸗ 
erquickende Gemeinschaft zwischen denen im Feld und denen in der Heiman 
Eine Gemeinschaft im Geist durch Gebet und Gottesdienst: hier in den Kirchen 
und in manchem stillen Kämmerlein, dort unter freiem Himmel, wo der Feld—
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.