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Medina an der Spitze und vor den Augen einer zahlreichen An¬
hängerschaft, welche auch die kleinsten Züge von ihm aufzubewahren
und den Nachkommen mitzutheilen suchte. Dagegen hatte er vor¬
her in Mekka nur einer kleinen Gemeinde vorgestanden und keine
grossen Thaten vollführt; daher sind die Nachrichten über diesen
Zeitraum viel dürftiger. Aus der Zeit, wo er noch nicht als Pro¬
phet aufgetreten war, haben wir nur sehr wenige sichere Angaben
über ihn. Die Sage füllt hier die Lücken der Überlieferung aus,
und seine Kindheits- und Jugendgeschichte ist nach und nach ganz
märchenhaft ausgeschmückt.
Muhammed war um das Jahr 570 in Mekka, einer Stadt in
Arabien, geboren, wo schon lange ein Heiligthum bestand, von seiner
Gestalt Alkaaba, d. h. der Würfel, genannt, welches von einem
grossen Theile der arabischen Stämme hoch verehrt ward. Die
Pilgerfahrten, welche nach der Kaaba gingen, führten jährlich eine
Menge Menschen hier zusammen, und es entwickelte sich dadurch
ein starker Handelsverkehr. Muhammed’s Familie war zwar mit den
angesehensten Geschlechtern verwandt, nahm aber selbst keinen
hohen Rang ein und war im Ganzen ohne Vermögen. Muhammed
war der Sohn Abdallah’s und der Amina. Sein Vater war kurz
vor oder kurz nach seiner Geburt gestorben. Auch seine Mutter
starb auf der Rückreise von Medina, wohin sie den etwa sechs¬
jährigen Knaben mit sich genommen hatte. Der arme Waisenknabe
wurde von seinem Grossvater und,, als auch dieser starb, von seinem
edlen Oheim Abu Talib aufgenommen. Dieser nahm sich des
Sohnes seines Bruders bis zu seinem Tode zärtlich an, aber da er
selbst arm war, konnte er ihn nicht hinlänglich ernähren. Früh¬
zeitig musste er sich daher selbst seinen Unterhalt gewinnen, in¬
dem er für einen kärglichen- Lohn Schafe hütete. Als Jüngling
finden wir dann Muhammed wieder als untergeordneten Begleiter
einer Handelskarawane, mit der er nach Syrien und mit allerlei
Mönchen, Einsiedlern und jüdischen Rabbinen zusammengekommen
sein soll.
Als er 25 Jahre alt war, änderten sich seine Vermögens¬
umstände auf einmal gänzlich durch seine Verheirathung mit der
reichen, schon zweimal verwittweten Chadidscha, in deren Dienst
er vorher gestanden hatte. Das eheliche Verhältnis zwischen dem
jungen Mann und der schon ziemlich bejahrten Frau war ein sehr
glückliches, und mehrere Kinder belebten das Haus, in welches
Muhammed auch Ali, den Sohn seines Oheims Abu Talib, der
seine zahlreiche Familie nur schwer zu ernähren vermochte, aufnahm.
Gegen sein vierzigstes Jahr trug sich, wir wissen nicht, auf
welche Weise, in ihm eine gewaltige Umwälzung zu und machte
ihn zum Propheten und Religionsstifter. Muhammed war bis dahin
Heide gewesen, aber es hatten sich schon damals einige Mekkaner
vom Götzendienste losgesagt. Auch Juden kamen des Handels
wegen mehrfach nach Mekka, und es ist sicher, dass sich Muham¬
med mit ihnen angelegentlich über ihre Religion unterhielt. Auch