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F.: Bis jetzt ist man also gegen die Krankheitsbakterien machtlos?
V.n Doch nicht so ganz; man hat ganz gewaltige Fortschritte in ihrer
Bekämpfung gemacht. Seitdem man weiß, daß das Eitern der Wunden vor—
nehmlich durch Pilze bewirkt wird und ebenso die Eitervergiftung, sucht man auf
alle mögliche Weise die Wunde von diesen Feinden durch peinlichste Sauberkeit
und pilztötende Mittel zu schützen. Wo Typhus, Diphtheritis oder eine ähnliche
Krankheit im Hause war, werden Decke, Wände und Fußboden gründlich mit
chemischen Mitteln gereinigt oder, wie man sagt, desinfiziert. Den Lungen⸗
kranken wird empfohlen, nicht auf den Fußboden, sondern nur in ein Näpf—
chen mit Wasser zu spucken, da man weiß, daß besonders die aufgetrockneten
und dann in der Luft umherfliegenden Keime so gefährlich sind. Unsere
Aborte werden mit Karbolpulver, Lysol und ähnlichen Desinfektionsmitteln
unschädlich gemacht, und selbst den Pilzkolonien in unserm eigenen Munde
gehen wir gründlicher als früher zu Leibe.
5. F.: Aber wir haben doch nicht alle Pilze im Munde!
V.; O, ganz sicher. Schon als Säugling hast du von einem Pilze
zu leiden gehabt, dem sogenannten Soorpilz oder Schwämmchen. Der
Pilz aber, der uns alle zur größten Sorgfalt in der Pflege der Zähne
nötigt, ist der Pilz der Zahnfäule. Er siedelt sich in der Schleimhaut des
Mundes zwischen den Lücken und am Grunde der Zähne an, dringt in die
feinen Kanälchen des Schmelzes und des Zahnbeins, wobei er die abscheu—
lichsten Zerstörungen anrichtet. Ehe wir es uns versehen, ist eines schönen
Tages der von außen vielleicht ganz gesund scheinende Zahn innen gänzlich
vernichtet, er ist „hohl“ geworden und bald völlig unbrauchbar. Nur die
größte Gewissenhaftigkeit in der Anwendung entsprechender Zahnwasser, die
auch nicht einen Tag nachlassen darf, kann uns vor der Zerstörung unserer
Zähne bewahren.
F.: Ach, Vater, nun mag ich die Pilze gar nicht mehr leiden. Es
scheint ja, als wenn sie überhaupt nur Schlimmes in die Welt bringen.
V Ja, eine böse Gesellschaft ist es im allgemeinen, und dabei von
einer Macht, von der man sich vor wenigen Jahrzehnten noch gar keine
Vorstellung machen konnte. Dennoch sind sie nicht alle so schlimm, wie du
denkst, und es gibt sogar einige, die vom Menschen gezüchtet und gut bezahlt
werden, wie beispielsweise die Hefepilze — Sorge nun dafür durch Reinlich⸗
keit und Vorsicht, daß wir nicht auch einmal einige von den ganz bösen
Sorten ins Haus bekommen Nach K. Kraevelin Maturstudien im Hause).
102. Von des Regenwurms ehrbarem Lebenswandel.
. Wenn man des Morgens nach einer feuchtwarmen Nacht in
den Garten tritt und etwa eine lehmige Wegstelle ansieht, so wird
Dietleins Deutsches Lesebuch. Ausg. A. Teil W.
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