— 317 
Ihren Höhepunkt erreichte in dieser Zeit die B er e d s amk e it, die jetzt 
durchaus schulmässig unter dem Einfluss der griechischen Rhetorik als Vor¬ 
bereitung für die staatsmännische Laufbahn erlernt wurde. Die Reden (auch 
manche nicht gehaltene), gerichtliche wie Staatsreden, wurden meist nachher 
als politischeFlugschriften oder auch nur als litterarische Muster ver¬ 
öffentlicht. Gefeierte Redner waren in Ciceros Jugend M. Antonius (Konsul 
99) und L. Licinius Crass us (Konsul 95); nachher waren Vertreter des 
durch blühenden, oft überladenen Stil charakterisierten genus Asiaticum Q. 
H o r t e n s i u s, des Einfachheit anstrebenden, nüchternen genus Atticum Cäsar, 
des in der Mitte stehenden genus Rhodium der als grösster Redner Roms ge¬ 
feierte M. Tullius Cicero (vgl. S. 285). Ausser seinen Reden, von denen 57 
ganz, 20 in Bruchstücken erhalten sind, verfasste Cicero eine Reihe rheto¬ 
rischer Schriften, die, auf gründlichen Studien der griechischen Rhe¬ 
toren und Redner fussend, doch grösstenteils ein auf eigener Erfahrung be¬ 
ruhendes System enthalten. Die philosophischen Studien pflegte Cicero anfangs 
als Mittel zu rhetorischer Ausbildung, erst in der Zurückgezogenheit vom poli¬ 
tischen Leben in eigenen philosophischen Schriften, die, auf Grund 
einer vielseitigen aber oberflächlichen Bekanntschaft mit der griechischen 
Philosophie vom eklektischen Standpunkt aus in kurzer Zeit in grosser Zahl 
niedergeschrieben, ihr Hauptverdienst in der Schaffung lateinischer Kunst¬ 
ausdrücke für philosophische Begriffe und in der Erweckung eines allgemeineren 
Interesses der Gebildeten für die Philosophie haben. Die Geschichte 
wurde in uns verlorenen Schriften vielfach noch nach der hergebrachten Weise 
der Annalisten meist von der Urzeit bis auf die eigene behandelt, nament¬ 
lich in der Zeit Sullas von dem durch seine Aufschneidereien unzuverlässigen 
Valerius Antias und von Licinius Macer (vgl. S. 249), welcher im Sinn 
der demokratischen Partei schrieb und sich vielfach auf Urkunden berief. 
In kunstmässiger Weise mit planvoller Gestaltung von Form und Inhalt nach 
dem Vorbild des Thukydides hat C. Sallustius Crispus aus Amiternum 
(86——35; vgl. S. 803) Geschichte geschrieben in den Schriften de coniuratione 
Catilinae, bellum Jugurthinum und den uns nur bruchstückweise erhaltenen 
Historiae (Geschichte der Jahre 78—67). Cornelius Nepos aus Oberitalien 
(um 94 30) gab in einem umfassenden Werk de viris illustribus, von dem 
nur ein kleiner Teil erhalten ist, Lebensbeschreibungen von griechischen, 
römischen und barbarischen Staatsmännern, Feldherrn, Dichtern u. s. w. in 
populärer, auf sittliche Wirkung berechneter Darstellung. Selbstbiogra¬ 
phien oder Denkwürdigkeiten über die Zeitgeschichte ver¬ 
fassten u. a. Sulla und Cicero (über sein Konsulat), deren Schriften ver¬ 
loren sind, namentlich aber Cäsar in den erhaltenen Commentarii de bello 
Gallico und de bello civili, die bei scheinbarer Objektivität und ohne ent¬ 
schiedene Unwahrheit doch eine bewusst tendenziöse Darstellung geben; der 
Schluss des gallischen und der alexandrinische Krieg sind wahrscheinlich von 
A. Hirtius (vgl. S. 309), der afrikanische und spanische Krieg von unbekannten 
Verfassern als Fortsetzungen hinzugefügt; eine grammatische Schrift Cäsars 
de analogia und seine beiden Anticatones sind verloren. Briefe bedeutender 
Persönlichkeiten wurden gern veröffentlicht; erhalten sind Bruchstücke von 
den Briefen der Cornelia an ihren Sohn Gaius und namentlich die in 4 Samm¬ 
lungen zusammengestellten Briefe Ciceros, nach seinem Tod, wohl unter Mit¬ 
wirkung seines Freigelassenen und Sekretärs Tiro und des Atticus, veröffent¬ 
licht. Ueber die acta senatus und acta diurna s. S. 289. Auf dem Ge¬ 
biet der Jurisprudenz waren als Rechtskenner und Schriftsteller berühmt 
P. Mucius Scävola (Konsul 133), der als Pontifex maximus auch die an- 
nales maximi abschloss und in Buchform brachte, sein Sohn Q. Scävola 
(Konsul 95 vgl. S. 263) und Ser. Sulpicius Ruf us (Konsul 51). Der Be¬ 
gründer der lateinischen Sprach- und Altertumswissenschaft war
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.