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Ihren Höhepunkt erreichte in dieser Zeit die B er e d s amk e it, die jetzt
durchaus schulmässig unter dem Einfluss der griechischen Rhetorik als Vor¬
bereitung für die staatsmännische Laufbahn erlernt wurde. Die Reden (auch
manche nicht gehaltene), gerichtliche wie Staatsreden, wurden meist nachher
als politischeFlugschriften oder auch nur als litterarische Muster ver¬
öffentlicht. Gefeierte Redner waren in Ciceros Jugend M. Antonius (Konsul
99) und L. Licinius Crass us (Konsul 95); nachher waren Vertreter des
durch blühenden, oft überladenen Stil charakterisierten genus Asiaticum Q.
H o r t e n s i u s, des Einfachheit anstrebenden, nüchternen genus Atticum Cäsar,
des in der Mitte stehenden genus Rhodium der als grösster Redner Roms ge¬
feierte M. Tullius Cicero (vgl. S. 285). Ausser seinen Reden, von denen 57
ganz, 20 in Bruchstücken erhalten sind, verfasste Cicero eine Reihe rheto¬
rischer Schriften, die, auf gründlichen Studien der griechischen Rhe¬
toren und Redner fussend, doch grösstenteils ein auf eigener Erfahrung be¬
ruhendes System enthalten. Die philosophischen Studien pflegte Cicero anfangs
als Mittel zu rhetorischer Ausbildung, erst in der Zurückgezogenheit vom poli¬
tischen Leben in eigenen philosophischen Schriften, die, auf Grund
einer vielseitigen aber oberflächlichen Bekanntschaft mit der griechischen
Philosophie vom eklektischen Standpunkt aus in kurzer Zeit in grosser Zahl
niedergeschrieben, ihr Hauptverdienst in der Schaffung lateinischer Kunst¬
ausdrücke für philosophische Begriffe und in der Erweckung eines allgemeineren
Interesses der Gebildeten für die Philosophie haben. Die Geschichte
wurde in uns verlorenen Schriften vielfach noch nach der hergebrachten Weise
der Annalisten meist von der Urzeit bis auf die eigene behandelt, nament¬
lich in der Zeit Sullas von dem durch seine Aufschneidereien unzuverlässigen
Valerius Antias und von Licinius Macer (vgl. S. 249), welcher im Sinn
der demokratischen Partei schrieb und sich vielfach auf Urkunden berief.
In kunstmässiger Weise mit planvoller Gestaltung von Form und Inhalt nach
dem Vorbild des Thukydides hat C. Sallustius Crispus aus Amiternum
(86——35; vgl. S. 803) Geschichte geschrieben in den Schriften de coniuratione
Catilinae, bellum Jugurthinum und den uns nur bruchstückweise erhaltenen
Historiae (Geschichte der Jahre 78—67). Cornelius Nepos aus Oberitalien
(um 94 30) gab in einem umfassenden Werk de viris illustribus, von dem
nur ein kleiner Teil erhalten ist, Lebensbeschreibungen von griechischen,
römischen und barbarischen Staatsmännern, Feldherrn, Dichtern u. s. w. in
populärer, auf sittliche Wirkung berechneter Darstellung. Selbstbiogra¬
phien oder Denkwürdigkeiten über die Zeitgeschichte ver¬
fassten u. a. Sulla und Cicero (über sein Konsulat), deren Schriften ver¬
loren sind, namentlich aber Cäsar in den erhaltenen Commentarii de bello
Gallico und de bello civili, die bei scheinbarer Objektivität und ohne ent¬
schiedene Unwahrheit doch eine bewusst tendenziöse Darstellung geben; der
Schluss des gallischen und der alexandrinische Krieg sind wahrscheinlich von
A. Hirtius (vgl. S. 309), der afrikanische und spanische Krieg von unbekannten
Verfassern als Fortsetzungen hinzugefügt; eine grammatische Schrift Cäsars
de analogia und seine beiden Anticatones sind verloren. Briefe bedeutender
Persönlichkeiten wurden gern veröffentlicht; erhalten sind Bruchstücke von
den Briefen der Cornelia an ihren Sohn Gaius und namentlich die in 4 Samm¬
lungen zusammengestellten Briefe Ciceros, nach seinem Tod, wohl unter Mit¬
wirkung seines Freigelassenen und Sekretärs Tiro und des Atticus, veröffent¬
licht. Ueber die acta senatus und acta diurna s. S. 289. Auf dem Ge¬
biet der Jurisprudenz waren als Rechtskenner und Schriftsteller berühmt
P. Mucius Scävola (Konsul 133), der als Pontifex maximus auch die an-
nales maximi abschloss und in Buchform brachte, sein Sohn Q. Scävola
(Konsul 95 vgl. S. 263) und Ser. Sulpicius Ruf us (Konsul 51). Der Be¬
gründer der lateinischen Sprach- und Altertumswissenschaft war