Full text: Leitfaden der deutschen Geschichte für den Schulgebrauch

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etwas besitzen, ja ob er selbst noch leben werde, machte, daß 
viele durch leichtsinnigen Genuß sich betäuben und lieber das 
wenige, was ihnen noch geblieben war, verschwenden, als es 
dem Feinde überlassen wollten. Der vormals so kräftige 
Geist der Bürgerschaften war durch das nicht endende Elend 
des Krieges gebrochen. Die Schützenfeste, durch welche die 
Städte ihre Wehrhaftigkeit erprobt und zugleich sich unter ein- 
ander verbrüdert hatten, wurden immer seltener und hörten 
zuletzt gänzlich aus. Auf dem flachen Lande verschwanden die 
Gesangvereine oder Kantoreien, welche den Gottesdienst unter- 
stützt, aber auch bei weltlichen Gelegenheiten, wie Hoch- 
zeiten, Taufen u. dergl., einer fröhlichen Geselligkeit ihre 
Stimme geliehen hatten. Der Volkshumor, der im Refor- 
mationszeitalter sich so lustig ergangen hatte, machte einer 
gelehrten Dichtkunst Platz, die dem Herzen des Volkes fern 
stand. 
Bei so traurigen Verhältnissen, in denen das deutsche 
Volk sich befand, wäre es nun wohl die oberste Pflicht der d eu t - 
schenFürsten gewesen, ihren schwerbedrückten Unterthanen 
nach Kräften wieder aufzuhelfen. Ein Teil der Fürsten unter- 
zog sich auch dieser Pflichterfüllung mit redlichem Eifer. 
Ein rühmliches Beispiel landesväterlicher Regierung hatte 
schon früher „Vater August" von Sachsen samt seiner 
„Mutter Anna" gegeben, welche beide sich namentlich der 
wirtschaftlichen Angelegenheiten ihres Landes annahmen. 
Augusts Bruder Moritz hatte für Stiftung von Fürsten- 
schulen und für die geistige Bildung des Volkes gesorgt. Unter 
den Fürsten, welche jetzt diese löblichen Beispiele nachahmten, 
sind vor allem zu nennen Herzog Ernst der Fromme von 
Sachsen-Gotha, ein warmer Freund seiner Bürgerund 
Bauern, Friedrich Wilhelm der Große, Kurfürst von 
Brandenburg, Pfalzgras Karl Ludwig, ein volks- 
freundlicher Herr, mehrere Fürsten von Braunschweig 
A. s. w., aus einer späteren Zeit Friedrich August der 
Gerechte von Sachsen, Karl August von Sachsen- 
W eimar u. a. 
Ein anderer Teil der Fürsten dagegen mißbrauchte die 
durch den Westfälischen Frieden ihnen verliehene Gewalt, 
lebte leichtfertig und verschwenderisch und erpreßte die Mittel 
dazu aus jede Weise von den armen Unterthanen.
	        
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