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durch welche die Pythia in einen höchst erregten Zustand versetzt wurde.
Die mehr oder weniger zusammenhängenden Worte, welche die Priesterin
in diesem Zustande hervorstieß, wurden von einem Priester niedergeschrieben
und dann gedeutet. Die den Fragenden erteilten Antworten waren in
der Regel duukel und vieldeutig.
Nationalspiele. Mit der Religion in enger Verbindung standen die
zu Ehren der Götter veranstalteten allgemeinen Wettkämpfe. Sie bildeten
zugleich ein Band der Vereinigung der griechischen Stämme. Am berühm¬
testen waren die zu Olympia in Elis. Sie fanden alle 4 Jahre statt.
Jeder unbescholtene Grieche konnte teilnehmen. Der Haupttag des Festes
fiel auf den ersten Vollmond nach der Sommersonnenwende. Zahllose
Scharen ans allen Gauen strömten herbei. Die Wettkämpfe bestanden im
Wettlauf, Ringkampf, Faustkampf, Wagenrennen, Werfen des Diskos.
Der Sieger erhielt einen zum Kranze gebogenen Ölzweig. Herolde ver¬
kündetem allem Volke die Namen der Sieger, auch die ihrer Väter und
Heimatsorte. Große Ehren erwarteten den Sieger zu Hause, und man
errichtete ihm Bildsäulen. Auch nach dem Ende des Festes blieb man noch
in Olympia versammelt. Es entwickelte sich ein reger Verkehr: Handwerker,
Künstler und Kaufleute boten ihre Erzeugnisse und Waren an; Geschichts¬
schreiber und Dichter lasen ihre Werke vor, und Redner und Philosophen
hielten Vorträge. Theater, Schaubudenbesitzer, Gaukler re. sorgten in ihrer
Weise gleichfalls für die Unterhaltung des Volkes. Auch an andern Orten
wurden Festspiele abgehalten, so in Korinth („Kraniche des Jbykus" von
Schiller), Delphi und Renten.
Die Heroenzeit. Die Jugendgerichte des griechischen Volkes ist wie
bei allen Völkern in Dunkel gehüllt. Nur eine Reihe von Sagen erinnert
daran, daß Körperstärke und kühner Mut für das Höchste, abenteuerliche
Thaten aber für nachahmenswert galten. Diese Zeit, Heroenzeit genannt,
erstreckte sich etwa bis ins elfte Jahrhundert vor Ehr. Geb. Zu den durch
die Sage verherrlichten Helden dieser Zeit gehört zunächst
Herkules. Es war nach der Sage der Sohn des Zeus und der
Königin Alkmene von Theben. Schon in der Jugend bewies er seine ge¬
waltige Stärke, so erdrückte er in der Wiege zwei Giftschlangen, die Hera
geschickt hatte, um ihn zu töten. Tüchtige Lehrer unterrichteten den Knaben
in allen Künsten des Krieges und im Lautenspiel. Einen derselben erschlug
er einst im Zorn. Da mußte er zur Strafe aufs Gebirge gehen und die
Herden hüten. Einst saß er in der Einsamkeit des Gebirges am Scheide¬
wege. Da kamen zwei Frauen von stattlicher Größe auf ihn zu. Es waren
zwei Göttinnen: das Laster und die Tugend. Die eine versprach ihm alle
Lust und Freude des Lebens ohne Kamps und Beschwerde, die andere harte
Arbeit, Mühen und Sorgen, dafür aber auch unsterblichen Ruhm. Herkules
stieß das Laster zurück und folgte der Göttin der Tugend. Gelegenheit
zu Thaten sollte sich bald finden. Als er einst in einem Anfall von Wahn¬
sinn einen schweren Frevel verübt hatte, legte ihm das Orakel zu Delphi auf,
sich in den Dienst des Königs Eurystheus von Mycene zu begeben und
dessen Anordnungen zu folgen. Auf Geheiß des Königs vollführte er zwölf