— —
Ew. Majestät Ministerium sind mir zugekommen. Ich befolge sie un—
bedingt und überlasse Ew. Majestät die Bestimmung jedes Verhältnisses,
es beziehe sich auf Geschäfte oder Personen, mit denen Ew. Majestät für
gut halten wird, daß ich arbeiten soll. In diesem Augenblick des all—
gemeinen Unglücks wäre es sehr unmoralisch, seine eigene Persönlichkeit
in Anrechnung zu bringen, um so mehr, als Ew. Majestät selbst einen so
hohen Beweis von Standhaftigkeit geben.“
So lrat Slein an die Spitze der Verwaltung und legte alsbald,
unterstützt von Hardenberg, Schön u. a., vn an die epoche⸗
machenden Reformen, durch welche nach seiner berzeugung zunächst
Preußen im Innern gekräftigt, die Selbstthätigkeit der Privaten ent⸗
sesseln und in den Dienst des Staates gestellt, dem Volke durch Er—
weckung eines starken sittlichen, religiösen, vaterländischen Geistes Mut,
Selbstvertrauen, Opferwilligkeit zurückgegeben werden sollte, um sodann
„bei erster Gelegenheit den Kampf für die Unabhängigkeit und Ehre
bes Valerlandes zu wagen“. Die Staatsverwaltung sollte vereinfacht
und einheitlicher gestaltet, an der kollegialen Verwaltung der Provinzen
den Eingesessenen selbst ein Anteil gewährt, das Gemeindewesen ver⸗
bessert, zuletzt, als Schlußstein des Ganzen, eine Vertretung des Volkes
eingerichiet werden. So hoffte Stein den erstorbenen Gemeinsinn wieder
zu wecken, die Gemüter über den bloßen Sinnengenuß und die Selbst⸗
sucht zu erheben und zu verhüten, daß, wie bisher, das Interesse der
bürgerlichen Stände lediglich auf Erwerb und Genuß hingelenkt würde,
die oberen Klassen aber müßig gingen.
In diesem Geiste folgten nacheinander eine Reihe tief eingreifender
Gesetzgebungsmaßregeln. Durch die Edikte vom 9. und 28. Oktober
I807 vdom' 27. Juli 1808 ward die Leibeigenschaft und Erb—
unterthänigkeit in ganz Preußen aufgehoben, auch die freie
Gebarung mit dem Grundeigentum Ceilbarkeit u. s. w) fest⸗
gestell. Durch eine Verordnung vom 24. November 1808 ward ein
Staatsvrat und ein nach vepartements gegliedertes Ge—
samtministerium (unter Beseitigung der „Provinzialminister“) ge—
schaffen. Am 19. November 1808 ward die Städteordnung eingeführt,
und ihr folgte die Aufhebung drückender Bann- und Zwangs—
rechte, sowie einige Jahre später (27. und 28. Okltober 1810) die
Abschaffung der véralteten Zunftverfassung und eine
Veränderung der Steuergesetzgebung.
Nach den „Ergänzungen zum Seminar-Lesebuche“.
274. Die Verbesserung des Militärwesens 1807
und 1808.
Was Stein dem Staate, das war Scharnhorst dem Heere. Ger—
hard David Scharnhorst, eines Bauern Sohn, war 1755 zu Bordenau
im Hannoverschen geboren. Früh hatte ihn eine ausgesprochene Neigung
zum Soldatenstande gezogen, und der Graf Wilhelm von Lippe- Schaum⸗
burg hatte ihn in seine Militäranstalt zu Wilhelmstein aufgenommen.
Die tle in, Lesebuch A. UI. (Oberstufe.) 22
531