Full text: Allgemeine Erdkunde, Ausführliche Behandlung eines Abschnittes aus der Länderkunde, Zehn Lesestücke aus der geographischen Literatur (H. 7)

Notwendigkeit und Zweck unserer Kolonien. 
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c) Notwendigkeit und Zwerk unserer Kolonien. Deutschland gehört zu 
den am dichtesten bewohnten Ländern der Erde. Es umfaßt 1/2b der Mensch¬ 
heit, aber nur V250 des gesamten Festlandes der Erde. Dies Mißverhältnis 
steigert sich beständig durch die Bevölkerungszunahme. Sie beträgt jährlich 
über 800 000 Köpfe. Mit einer solchen Vermehrung vermag die Gewinnung 
von Nahrungsmitteln auf deutschem Boden nicht gleichen Schritt zu halten. 
Bis auf 9% Ödland ist in nnserm Reiche jedes Streifchen Land ausgenutzt, 
und doch mußten 1907 mehr als 2 Milliarden Mark für Nahrnngs- und Genuß- 
mittel an das Ausland gezahlt werden. Noch mehr ist das Ausland an der 
Bekleidung der 60 Millionen Menschen nnsers Vaterlandes beteiligt. Im 
Jahre 1907 zahlte Deutschland für fremde Schafwolle gegen 400 Mill. Mark 
und für Baumwolle sogar 551 Mill. Mark. 
Erfindungen und Einrichtungen der Neuzeit trugen ebenfalls dazu bei, uns 
vom Auslande abhängig zu machen. Die mit Elektrizität betriebenen Einrich- 
tuugen, der Telegraph, das Telephon, das elektrische Licht und die elektrischen 
Bahnen, haben den Bedarf an Kupfer und Kautschuk gewaltig gesteigert. Schon 
1907 bezog Deutschland, das ehemals seinen Bedarf an Kupfer selbst deckte, 
für 240 Mill. Mark ausländisches Kupfer und für 121 Mill. Mark Rohkautschuk. 
Fahrrad und Kraftwagen werden den Verbrauch von Gummi noch weiter 
steigern. Ferner zahlte das Deutsche Reich im Jahre 1905 an das Ausland für: 
Olprodnkte und Fette 425 Mill. Mark* 
Kakao 33 „ „ 
Hanf 143 „ 
Häute 85 „ „ 
Felle 59 „ „ 
Kaffee 150 „ „ 
Petroleum 100 „ „ usw. 
Somit genügt das Vaterland bei weitem nicht mehr, alle die mannigfaltigen 
Stoffe hervorzubringen, die seine Bewohner zur Ernährung, Bekleiduug uud 
für die sonstigen Lebensbedürfnisse brauchen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse 
des deutschen Volkes vou heute beruhen auf einer Bodenflüche von der zwei- 
bis dreifachen Größe des Deutschen Reiches. 
In früherer Zeit bezahlten die Bewohner ihren geringen Bedarf an Kolonial- 
waren mit den Überschüssen an Getreide, Vieh, Flachs, Wolle, Holz, also mit Er- 
Zeugnissen, die im eigenen Laude nicht verbraucht und daher an das Ausland ver- 
kauft werden konnten. Die Milliarden, die heute zur Bezahlung der Einfuhr 
nötig sind, gewinnt das deutsche Volk aus den Zinsen von ausländischen Wert- 
papieren, die es vou den Überschüssen seines Verdienstes gekauft hat, vor allem 
aber aus den Erzeugnissen der Industrie, die in den Werkstätten und Fabriken 
aus den Rohstoffen gewonnen und an das Ausland verkauft werden. So 
1 Diese Zahlen sind ebenso wie die unmittelbar voranstehenden nicht zu merken, sondern 
dienen nur zur Veranschaulichung. 
6*
	        
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