Full text: Erdkundliches Lesebuch für die Oberstufe höherer Lehranstalten und Seminare

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A. Zur Allgemeinen Erdkunde. 
Materie für unsere Betrachtungen hier nichts zu tun, er ist ein gegebenes Etwas, 
welches die Physiker vorläufig noch nicht haben ergründen können, und dessen Existenz 
für uns genau so rätselhaft bleibt wie die der Materie und der^ Kräfte. — Es sei bei 
dieser Gelegenheit ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß Gedauken über das 
Wesen der Materie oder der Kräfte oder über die Herkunft derselben oder über den 
Anfang aller Dinge durchaus nicht in das Gebiet der exakten Forschung hineingehören. 
Die Beantwortung derartiger Fragen ist den Menschen, wie so vieles andere, für 
immer verschlossen, und alles Nachdenken und Philosophieren darüber führt niemals 
zum Ziele. Es ist Sache jedes einzelnen, sich mit allen diesen sogenannten transzen- 
denten Dingen abzufinden, so gut wie es geht. Der eiue nimmt sie hin als gegeben 
und fragt nicht weiter woher und wohin, dem anderen erscheint es besser und edler, 
noch einen Schritt weiter zu gehen und sie als geschaffen von einem über allen Dingen 
stehenden Wesen anzunehmen, wobei dann erst dieses Wesen das uns nnerfaßliche 
bleibt. Die Vertreter der exakten Wissenschaften sind vielleicht bescheidener als die 
eigentlichen Philosophen, die zum Teil noch immer glauben, durch Nachdenken den 
Gruud der Dinge erfassen zu können; wir »vollen uns hier den ersteren anschließen 
und die Grenzen des durch unsere Sinne gefundenen und dann erst durch Denken 
erweiterten Gebietes nicht verlassen. — 
Tie Planeten beschreiben nahe kreisförmige Bahnen um die Sonne, entsprechend 
einem an einem Faden befestigten Stein, der um die Hand herumgeschlendert wird. 
Bei diesem ist es die Festigkeit des Fadens, welche den Stein in feine Bahn zwingt 
und ihn verhindert, geradlinig wegzufliegen, bei jenen ist es die allgemeine Anziehungs- 
oder Schwerkraft. Reißt der Faden, so fliegt der Stein in der Richtung fort, die er 
gerade im Momente des Zerreißens hatte; würde plötzlich die Anziehungskraft der 
Sonne aufhören, so würden sofort die Planeten in allen möglichen Richtungen der 
Sonne auf Nimmerwiedersehen enteilen. Das wird aber niemals eintreten, denn 
die Anziehungskraft ist die allgemeinste Kraft, welche wir kennen, sie ist der Materie 
unzertrennlich beigegeben und dabei unabhängig von den übrigen physikalischen und 
chemischen Eigenschaften derselben. Sie regiert in unserem Sonnensysteme nn- 
beschränkt und hält den Menschen auf der Erdoberfläche genau so fest, wie den Mond 
in seiner Bahn. Die Stärke dieser Kraft ist allein abhängig von der Menge von 
Materie und von der Entfernung, in welcher sich die zu betrachtenden Teile der Materie 
voneinander befinden. Statt der Menge von Materie hat man den Begriff der Masse 
eingeführt und definiert die Masse nur nach der Anziehung. Wenn man z. B. auf 
der Wage 1 kg Fleisch abwägt, so besagt dies, daß das Stück Fleisch genau so viel 
Masse enthält wie das eiserne Gewichtsstück von 1 kg, da es von der Erde genau so 
stark angezogen wird wie letzteres. Daß das Stück Fleisch viel größer ist als das Ge- 
wichtsstück, tut nichts zur Sache, das Fleisch ist eben „leichter", oder wie man sich 
exakter ausdrücken sollte, „spezifisch leichter" als das Eisen. Auf dieser Definition 
beruht ja auch unser ganzes GewichtssystemWasser wird von der Erde mit 
einer Kraft angezogen, welche man 1 g aenannt hat. 
Sind die zu betrachtenden Massen alle gleich weit von der anziehenden entfernt 
wie auf unserer Erdoberfläche, so ist das Wägen, wie jedermann weiß, eine sehr ein- 
fache Sache, befinden sie sich aber in verschiedenen Entfernungen, so wird die Auf- 
gäbe etwas schwieriger. Hier muß die andere Eigenschaft der Anziehungskraft hinzu- 
gezogen werden, welche ihre Abhängigkeit von der Entfernung regelt und besagt, 
daß die Anziehungskraft bei sonst gleichen Massen viermal so gering ist, wenn die 
Massen zweimal so weit voneinander entfernt sind, oder neunmal so wenig, wenn die
	        
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