Full text: Erdkundliches Lesebuch für die Oberstufe höherer Lehranstalten und Seminare

1. Die Stellung der Erde im Weltall. 
21 
durch Stettin oder Magdeburg hindurch, der nächste Fixstern fände in diesem Maß-- 
stabe nicht annähernd mehr Raum auf der Erde, er würde in nahe der doppelten 
Mondentfernung stehen! Da reicht selbst der kleine Maßstab nicht mehr aus, um 
eine direkte Anschauung zu gewinnen. 
Sehr wahrscheinlich ist übrigens der nächste Stern in Wirklichkeit noch doppelt so 
weit entfernt, und es gibt überhaupt nur sehr weuige Sterne, deren Entfernung von 
uns annähernd diesen Zahlen gleichkäme. Durchschnittlich sind die sogenannten 
näheren Sterne mindestens noch zehnmal weiter von uns abgelegen, uud wie weit 
die entferntesten, die das Fernrohr noch erkennen kann, von uns liegen, das 
läßt sich zunächst nicht exakt angeben; für unsere Betrachtungen genügt es, wenn 
wir sagen, vielleicht 100 oder 1000mal weiter, und dann in diese Entfernungen die 
Grenzen des uns zugänglichen Weltalls setzen. Um bei diesen Zahlen dem Ver- 
ständnisse näher zu kommen, hat man eine neue Einheit eingeführt: das sogenannte 
Lichtjahr. 
Die größten Geschwindigkeiten, die man auf mechanischem Wege erzeugen kann, 
sind diejenigen der Geschosse der modernen Gewehre und Kanonen. Die Anfangs- 
geschwindigkeit solcher Geschosse beträgt nahe 1000 m in der Sekunde, ein Schnecken- 
gang gegenüber den Geschwindigkeiten, mit welchen sich gewisse Naturkräfte wie Licht 
und Elektrizität im Räume fortpflanzen. Die Lichtgeschwindigkeit ist gerade 300 000mal 
größer, denn der Lichtstrahl legt in einer Sekunde 300 000 km zurück, d. h. er braucht 
von hier bis zum Monde nur Sekunde, von hier bis zur Sonne schon über 
8 Minuten und bis an die Grenze des Sonnensystems, bis zum Neptuu, bereits 
4 Stunden. Den Weg bis zn dem snpponierten nächsten Fixstern aber legt er erst 
in 3^ Jahren zurück, d. h. der nächste Fixstern ist 3^ Lichtjahre von uns ent- 
fernt. Bei der Betrachtung des gestirnten Himmels wissen wir jetzt, daß das Licht 
der hellsten Sterne, die wir sehen, bereits vor 30 Jahren die betreffenden Sterne 
verlassen hat, um heute erst in unser Auge zu gelangen, und die entfernteren Sterne 
sehen wir jetzt, wie sie etwa zur Zeit der Entdeckung Amerikas aussahen. Das sind 
gewiß gewaltige Zahlen, und erst im letzten Kapitel dieser Schrift werden wir Ge- 
danken darüber äußern können, ob damit die Grenzen des sichtbaren Weltalls gegeben 
sind. Was wollen aber erst die Millionen von Sternen in dem ungeheuren Räume 
bedeuten, den sie einnehmen? Machen wir die gewiß nicht übertriebene Annahme, 
alle Sterne des Weltalls seien durchschnittlich so weit voneinander entfernt wie der 
nächste Stern von uns, setzen wir ferner voraus, die Fixsterne hätten dieselbe Masse 
wie unsere Sonne — es möge hier eingeschaltet werden, was wir in einem weiteren 
Kapitel genauer kennen lernen werden, daß die Fixsterne nichts anderes als Sonnen 
sind —, und sie seien von ähnlichen Planetensystemen umgeben wie unsere Sonne, 
so können wir leicht die folgende Rechnung anstellen: Unser Sonnensystem reicht 
dann bis zur Hälfte der Entfernung bis zum nächsten Fixstern, d. h. 3500mal weiter 
als die Neptunsbahn, bis zu welcher Grenze wir bisher das Sonnensystem gerechnet 
hatten. Um nun die mittlere Dichtigkeit des Weltalls zu finden, müssen wir daher 
die Gesamtmasse des Systems verteilen auf eiue 3500mal größere Kugel, d. h. auf 
einen 3500^mal größeren Inhalt, und in dem gleichen Verhältnis wird die Dichtig- 
keit des Weltalls geringer als die des Sonnensystems, das ist noch 43 000 Millionenmal 
dünner. Ich will dieser Zahl nichts weiteres hinzufügen; zu begreifen ist sie nicht, 
und sie lehrt nur, daß im Verhältnis zun: Räume die Materie verschwindend gering 
ist, unverständlich für Wesen, welche wie wir aus höchst konzentrierter Materie bestehen 
und an dieselbe durch alle Funktionen gebunden sind.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.