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3. Noch einen letzten Schimmer
sprühend,
Ringt sie sich bange zögernd los
Und sinkt, in tiefrem Rot erglühend,
In ihres Wolkengrabes Schoß.
4. Doch wie Erinnerung, die milde,
Treu ausharrt bei versunknem Glück,
Bleibt lang noch auf dem Nachtgefilde
Ein stiller Dämmerschein zurück.
Betty Paoli.
67. Sommerabend.
1. Der Tag war heiß, nun weht es
kühle
Und leise schauert es im Ried,
Die Drossel singt ihr Abendlied
Im Tannenwipfel an der Mühle.
Die laute Arbeit ist verstummt,
Die lärmenden Geschäfte schweigen.
Nur daß noch in den Lindenzweigen
Die nimmermüde Biene summt.
2. Die Wachtel sagt, sie will nun
schlafen,
Und wünscht dem Landmann gute Nacht,
Derweil der Mond am Himmel wacht,
68. Der
1. Komm,Trost derWelt, du stilleNacht!
Wie steigst du von den Bergen sacht.
Die Lüfte alle schlafen;
Ein Schiffer nur noch, wandermüd,
Singt übers Meer sein Abendlied
Zu Gottes Lob im Hafen.
2. Die Jahre wie die Wolken gehn
Und lassen mich hier einsam stehn,
Die Welt hat mich vergessen;
Der stille Hirt, bei seinen Schafen.
Im Busch erstirbt der letzte Hauch,
Das Huhn im Weiher ging zur Raste
Und auf der Tanne dunklem Aste
Die Drossel, meine Freundin, auch. —
3. Da horch, die Vesperglocke schallte!
Nun knie und bete, Menschenkind,
Daß aller, die in Trauer sind,
Der milde Vater liebreich walte
- Und alle nehm' in seine Hut
Und deiner auch in Gnaden denke
| Und dir so tiefen Frieden schenke,
| Als jetzt auf diesem Tale ruht.
Friedr. Wilh. Weber.
Einsiedler.
Da tratst du wunderbar zu mir,
Wenn ich beim Waldesrauschen hier
Gedankenvoll gesessen.
3. O Trost der Welt, du stille Nacht!
Der Tag hat mich so müd gemacht,
Das weite Meer schon dunkelt;
Laß ausruhn mich von Lust und Not,
Bis daß das ew'ge Morgenrot
Den stillen Wald durchfunkelt.
Joseph Freiherr v. Eichendorff.
69. Wenn der Frühling aus die Berge steigt.
1. Wenn der Frühling auf die Berge
steigt
Und im Sonnenstrahl der Schnee zerfließt;
Wenn das erste Grün am Baum sich zeigt
Und im Gras das erste Blümlein sprießt;
Wenn vorbei im Tal
Nun mit einem Mal
Alle Regenzeit und Winterqual:
Schallt es von den Höhn
Bis zum Tale weit:
O, wie wunderschön
Ist die Frühlingszeit!
2. Wenn am Gletscher heiß die Sonne
leckt;
Wenn die Quelle von den Bergen springt,
Alles rings mit jungem Grün sich deckt
Und das Lustgetön der Wälder klingt;
Lüfte lind und lau
Würzt die grüne Au
Und der Himmel lacht so rein und blau:
Schallt es von den Höhn
Bis zum Tale weit:
O, wie wunderschön
Ist die Frühlingszeit!
Friedrich Bodenstedt.