Die Schwälmer. 293
lieber das Mieder ziehen sie noch eine schwarze sogenannte Schnürbrust, die
reich mit Gold, Silber, Perlen und Seide geschmückt ist. Von der Taille
stehen acht bis zehn neue bis zum Knie reichende Röcke ab, deren bunter
Besatz stufenweise sichtbar wird bis zu dem feingesäumten Hemde. Dann sieht
man ihre leinenen, mit baumwollenen Zwickeln verzierten Strümpfe und ihre
hochabsätzigen sogenannten Klötzschuhe. Bei besonderen festlichen Gelegenheiten
tragen sie statt des Häubchens einen diademartigen, mit Blumen und Gold-
flitter verzierten Kopfputz (Schappel).
Ruine Münzenberg. Zeichnung von Alb. Richter.
Auch in Sitten nnd Gebräuchen haben die Schwälmer manches Eigenartige.
So soll z. B. die bei ihnen übliche Farbe der Trauer „blau" statt „schwarz"
seiu. Wegen dieser und vieler anderer Absonderlichkeiten, vorzugsweise wegen
ihrer rassenartigen Eigentümlichkeit in Gestalt und Wesen hat man sie auch
wol für einen Rest eines ganz besonderen (wendischen?) Volksstamms gehalten.
Bekanntlich soll Bonifacius im Heffeulande Slaven angesiedelt haben.
Was die Lebensweise betrifft, so gilt wenigstens für die südwestliche Ab-
dachung des Vogelsberg im Allgemeinen die Regel, daß die Wiesenkultur und
Viehzucht in den Vordergrund tritt. Schon von früher Kindheit an wird der
Vogelsberger hauptsächlich zum Hirten erzogen. Die Monotonie dieses Lebens
unterbrechen nur die regelmäßig wiederkehrenden Vieh- und Krammärkte, welche
zugleich auch das Hauptsest der Ortschaften, die Kirchweihen, in sich schließen.