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Wie sehr Karl seine Kinder, hauptsächlich seine Töch¬ 
ter liebte, davon gibt besonders die Liebesgeschichte der schö¬ 
nen Emma mit ihres Vaters Geheimschreiber Eginhard 
einen klaren Beweis. Ich will diese Begebenheit meinen 
jungen Lesern nicht vorenthalten. 
flu Emma und Eginhard. 
Der glückliche Eginhard hatte durch seinen Geist und 
sein einnehmendes Wesen sich nicht nur die Liebe und das 
Zutrauen seines kaiserlichen Gönners erworben, sondern auch 
Eindruck auf das Herz einer seiner liebenswürdigen Töch¬ 
ter, der reizenden Emma, gemacht. Auch er heftete oft mit 
Wohlgefallen brennende Blicke auf sie, schwieg aber und 
seufzte, daß sie eine Kaiserstochter sei. Nach und nach er- 
riethen sich aber ihre Herzen und kamen einander entgegen. 
Eginhard wagte es, Worte der Liebe auszusprechen, und 
sie blieben nicht lange unerwiedert. Es fehlte aber an ei¬ 
nem Kaiserhofe, wo sie täglich von tausend Augen bewacht 
waren, an Gelegenheit, sich einander ihre Herzen ganz zu 
öffnen; darum ließ sich das allzu unbesonnene Mädchen be¬ 
reden, dem Geliebten einen nächtlichen Besuch auf ihrem 
Zimmer zu gestatten. Sie wollte sich da mit ihm recht 
satt kosen, sich recht oft wiederholen lassen, wie sehr er sie 
liebe, wollte den Schwur ewiger Treue hören und sie ihm 
wieder geloben. Dabei erwog sie aber nicht die Folgen, die 
eine solche Zusammenkunft für ihren guten Ruf haben konn¬ 
te, nicht die Verantwortung, der sie sich ausfetzte, nicht den 
Schmerz und die Schande, die sie ihrem gütigen Vater zu¬ 
zog, dem ihre und seine Ehre über Alles ging. Wie so 
viele andre leichtsinnige Mädchen dachte sie, es werde Nie¬ 
mand etwas von der geheimen Unterredung in dem Dun¬ 
kel der Winternacht gewahr werden.
	        
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