315 
mit ihren Vertrauten den Plan, Peter mit der Mutter zu ermorden. 
Peter, zeitig gewarnt, floh wieder nack jenem Kloster und rief seine 
50 Freunde herzu. Diese mit vielen anderen kamen. Die Ver¬ 
schworenen wagen keinen Angriff; Peter aber läßt die treulose 
Schwester ergreifen und unter strengem Gewahrsam in ein Kloster 
bringen. 
Rußland war damals noch nicht das großmächtige Land, das 
es jetzt ist. Es hatte weder am schwarzen Meere, wo die Türken, 
noch an der Ostsee, wo die Schweden herrschten, Häfen. A s o w, 
die bedeutende Hafenstadt, hatten früher die Russen besessen; Peter 
mußte es aber erst den Türken wieder entreißen. Um Seeleute zu 
gewinnen, sandte er ganze Schaaren junger Leute nach Venedig 
und Livorno, wo sie den Seedienst erlernen mußten. 
Doch dies alles befriedigte seinen Geist noch nicht. Er fühlte, 
er müßte selbst mit dem Beispiele vorangeben, wenn seine am alten 
Herkommen klebenden Russen aus ihrem Schlaf sollten aufgerüttelt 
werden. Zugleich trieb ihn sein wißbegieriger Geist, fremde Länder 
zu sehen, fremde Sitten und Einrichtungen kennen zu lernen. Er 
beschloß daher, eine Gesandtschaft durch einen Theil Europas reisen 
zu lassen und sich unter sie zu mischen, um den Ehrenbezeugungen 
und Festlichkeiten zu entgehen, die er sonst auszustehen gehabt haben 
würde. Lefort führte die Gesandtschaft. Holland, als der erste 
Handelsstaat damaliger Zeit, zog ihn vor allen an. In Saardam, 
einem großen Dorfe, Amsterdam gegenüber, wohnte er 7 Wochen 
unter dem Namen Peter Baas in einer armseligen Schifferhütte. 
Die Hütte steht noch; sie wird nur durch den damaligen Bewohner 
bedeutend; denn sie zeichnet sich weder innerlich noch äußerlich durch 
etwas aus. Doch eben dies erhöht das Interesse. Lebendiger ver¬ 
gegenwärtigt sich die Einbildungskraft gerade an dem Orte, wo er 
einst hauste, den originellen Menschen, den Beherrscher eines halben 
Erdtheils, wie er, mit dem Beile in der Hand, vom Zimmerplatze 
zurückkehrend, sich sein selbst eingekauftes Essen hier zubereitet, dann 
in dem engen Wandbette von des Tages Last und Hitze ausruht, 
auch wohl in mancher schlaflosen Stunde den Plan überdacht haben 
mag, neue Schöpfungen in seinem unermeßlichen Reiche hervorzu¬ 
rufen; der von hier aus in der einen Stunde Befehle an sein gegen 
die Türken fechtendes Heer aussendet, dem König August von Polen 
Schutz zur Behauptung seines Thrones zusagt, dann in der nächsten 
mit Axt und Beil wieder hinaus auf die Werste eilt. Auch in der 
Schmiede arbeitete er mit und erlernte auch die Chirurgie. — Von 
Holland ging er nach England, um das englische Seewesen kennen 
zu lernen, und äußerte bei dieser Gelegenheit: er wolle eben so gern 
ein englischer Admiral, als russischer Kaiser sein. 
Eben war er im Begriff, das Wunderland Italien zu be¬ 
suchen, als ihn die böse Nachricht traf, daß sich die Strelitzen aber¬
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.