Full text: [Geschichte des Mittelalters] (Theil 2)

8 
Kriegsruhm und Beredtsamkeit hat; denn die Kraft der Ueberredung gilt 
mehr, als die Macht zu gebieten. Mißfällt der Vorschlag, so verschmäht 
man ihn mit lautem Geschrei, gefällt er, so klirrt man mit den kurzen, 
kleinen Spießen. Die ehrenvollste Art des Beifalls ist die, welche sich 
durch die Waffen kund giebt. Man kann in den Versammlungen auch 
anklagen und einen Krimiualproceß anhängig machen. Die Strafen sind 
nach den Vergehungen verschieden. Verräther und Ueberläufer hängt man 
an Bäume auf; Feige, Unstreitbare und Solche, die sich selbst entehren, 
versenkt man in Morast und Sumpf und bedeckt sie mit einer Flechte. 
Die Verschiedenheit der Todesart zielt dahin, daß man Verbrechen durch 
die Bestrafung kund machen, Schandthaten verbergen müsse, indem man 
sie bestraft. Auch geringere Verbrechen werden nach Verhältniß bestraft. 
Der Ueberführte muß mit einer Anzahl Pferde oder Zuchtvieh büßen. 
Einen Theil der Buße erhält das Haupt oder das gesammte Volk, den 
anderen der Beleidigte oder seine Verwandten. Man wählt in diesen 
Versammlungen auch Häuptlinge, welche in Gauen und Flecken richten. 
Jedem werden aus dem Volke Centrichter als Rath und Beistand zu¬ 
geordnet. Sie unternehmen nichts unbewaffnet, weder öffentlich, noch in 
Privatangelegenheiten, aber Niemand darf eher Waffen führen, als bis ihn 
die Nation für fähig erkannt hat; dann rüstet Einer von den Vornehmsten, 
oder der Vater, oder ein Verwandter den Jüngling in der Versammlung 
selbst mit Schild und Spieß aus. Das ist die Toga und die erste Ehren¬ 
stufe des jungen Mannes, der vorher nur ein Glied der Familie, nun des 
Staates ist. Ausgezeichnetes Geschlecht oder große Verdienste der Väter 
erwerben auch noch ganz jungen Leuten die Achtung des Häuptlings: sie 
werden im Gefolge anderen Rüstigen und schon längst Bewährten bei- 
geg"ben, und man hält es für keine Schande, unter dem Gefolge zu sein, 
ja dieses selbst hat, nach der Bestimmung des Führers, seine Stufen, 
und in ihm herrscht ein großer Wetteifer darüber, wer den ersten Platz 
bei seinem Haupte habe, während auch die Häupter eifersüchtig darauf 
sehen, die meisten und tapfersten Gefährten zu besitzen. Dieses Ansehen, 
diese Macht, von einer großen Schaar erlesener Jünglinge immer umgeben 
zu sein, ist im Frieden eine Zierde, im Kriege eine Schutzwehr. Aber 
nicht allein bei den Landsleuten, sondern auch bei den benachbarten Völ¬ 
kern macht es einen Namen, wenn das Gefolge durch die Menge und 
Tapferkeit hervorsticht. Kommt es zur Schlacht, dann ist's Schande für 
den Anführer, sich an Tapferkeit übertresfen zu lassen, für das Gefolge, 
an Tapferkeit dem Anführer nicht gleich zu kommen, ein lebenslanger Schimpf 
aber, wenn man seinen Anführer überlebt und die Schlacht verläßt. Ihn 
zu vertheidigen, ihn zu erhalten, selbst eigene H'eldenthaten ihm zum Ruhme 
beizulegen, gilt als eine vorzüglich heilige Verpflichtung. Die Anführer 
streiten für den Sieg, die Gefährten für den Anführer. Erschlafft ein 
Volk, in dem man geboren ist, durch langen Frieden und durch Ruhe, so 
begeben sich die meisten jungen Edlen von freien Stücken zu Völkern, die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.