fullscreen: Lesebuch für die Oberklassen katholischer Volksschulen

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Süppken röhrend" fand. Die Verlegenheit des Mannes mit ein 
paar Scherzworten besiegend, besprach er schnell seinen Gegen¬ 
stand mit ihm und setzte heiteren Sinnes seine Wanderung fort. 
6. Zum Schlüsse noch eine ergötzliche Geschichte, die sich 
aber in Berlin zugetragen hat. Als der Herr von Vincke ein¬ 
mal hier anwesend war, wünschte eine Prinzessin unseres 
Königshauses den auch am königlichen Hofe hochgeehrten Manu 
zu sprechen. Um den Besuch abzustatten, läßt er eine Droschke 
oder Lohnkutsche vor sein Gasthaus kommen. Schon war er 
eingestiegen; da merkt er, daß er, wie gewöhnlich, seine Mütze 
noch auf dem Kopfe trage und den Hut zu Hause gelassen habe. 
Viel Zeit war nicht mehr zu verlieren; darum bittet er den 
Pförtner des Gasthofes, der sich in Berlin wie ein großer 
Herr kleidet, ihm seinen Hut zu leihen. Der Hut wird ihm 
in den Wagen nachgereicht, und er läßt fortfahren. Unterwegs 
denkt er, er müsse doch auch einmal den geliehenen Hut auf¬ 
probieren. Er thut's, — und findet zu seinem Schrecken, daß er 
ihm viel zu weit ist. Doch fällt ihm ein, daß er ja in den 
Zimmern der Prinzessin keinen Hut aufzusetzen brauche; es 
werde schon genug sein, wenn er nur einen in der Hand trage. 
Der Wagen hält vor dem Schlosse, und so begibt er sich, den 
Hut in der Hand, über den Hof und den weiten Mur tu den 
Empfangssaal der Prinzessin, die ihn aufs freundlichste begrüßt 
und sich lange mit ihm unterhalt. Hut und Portier waren 
schon vergessen; da fällt es der Prinzessin ein, an dem schönen 
Morgen noch einen Gang durch ihren Schloßgarten zu machen. 
Sie ersucht den Oberpräsidentcn um seine Begleitung, und dieser 
weiß, was sich schickt, und darf nicht nein sagen. Den Hut 
nimmt er natürlich mit, aber er darf es nicht wagen, ihn auf¬ 
zusetzen. Eine Zeitlang geht es gut, und die Prinzessin merkt 
nichts; endlich aber weht ein kühles Lüftchen durch den Garten, 
und da meint sie, der alte Herr könne sich leicht erkälten, wenn 
er noch länger unbedeckten Hauptes neben ihr her wandere. Sie 
redet ihm also zu, den Hut nun endlich einmal aufzusetzen und 
seine Gesundheit zu bedenken. Aber der Freiherr weiß allerlei 
Entschuldigungen; es sei ihm warm genug, auch wollte er die 
schuldige Ehrerbietung gegen sie, die Fürstin, nicht verletzen 
u. s. w. Die will aber keine Widerrede mehr gelten lassen und 
fordert ihn endlich nachdrücklich auf, sich zu bedecken. „Wenn 
es denn Ew. Königliche Hoheit durchaus nicht anders haben 
wollen," erwiderte er, „so sollen Sie nun auch sehen, wie ich 
mich in dem Hute ausnehme!" Er setzte ihn auf den Kopf, 
aber der Hut fällt ihm bis auf die Schulter herab. Hat die
	        
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