fullscreen: Weimarisches Lesebuch

tausend Feuerpunkten. Allein auch er wurde stolz darauf 
und glaubte am Ende, er selbst sei die Quelle aller dieser 
Klarheit und verspottete die anderen Gewässer, die im Schatten 
lagen. Da wurde die Sonne abermals unwillig, zog Wolken 
zusammen, in denen sie sich verhüllte, und der Teich lag 
nun wieder in seinem düstern, traurigen Grau wie zuvor und 
schämte sich. Die Wolken hingegen begannen jetzt zu glühen 
und schienen wie Purpur und verbreiteten sich wohlgefällig 
am abendlichen Himmel, als die Erde schon im Schatten lag. 
Da wurden auch sie übermütig und riefen: „Erglänzen wir 
nicht viel schöner denn die Sonne?“ Und zum dritten Male 
wurde die Sonne unwillig, und indem sie hinter den Horizont 
hinabstieg, entzog sie ihre Strahlen den undankbaren Luft¬ 
gebilden, und Wolken, See und Bäume verschwammen nun 
in der grauen Dämmerung, bis endlich die Nacht alle diese 
eitlen Geschöpfe der Vergessenheit übergab. 
Gottfried Keller. 
138. Vom Bäumlein, das andere Blätter 
hat gewollt. 
Es ist ein Bäumlein gestanden im Wald 
in gutem und schlechtem Wetter; 
das hat von unten bis oben 
nur Nadeln gehabt statt Blätter. 
Die Nadeln, die haben gestochen; 
das Bäumlein, das hat gesprochen: 
2. „Alle meine Kameraden 
haben schöne Blätter an, 
und ich habe nur Nadeln; 
niemand rührt mich an! 
Dürst' ich wünschen, wie ich wollt', 
wünscht' ich mir Blätter von lauter (Hold." 
3. Wie's Nacht ist, schläft das Bäumlein ein, 
und früh ist's aufgewacht; 
da hatt' es goldne Blätter fein, 
das war eine Fracht! 
Das Bäumlein spricht: „Nun bin ich stolz; 
goldne Blätter hat kein Baum im holz." 
H. Aber wie es Abend ward, 
ging der Jude durch den Wald
	        
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