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unter welcher Millionen der schwarzen Bewohner Afrikas leben. Man möchte sagen,
Afrika trage schwer den Fluch Hams. Der Mensch ist hier zur Äaare herabge-
sllnken, Menschenopfer bluten noch fort zu Lausenden; die Hitze tobt in dem Blute
des Menschen und macht sie grimmig wie die wilden Thiere, von denen sie überall
umgeben sind. Wenn man die Südspitze und die hohen Berge abrechnet, ist jeder
Punkt Afrikas heißer, als die wärmsten europäischen Länder; nirgends hatte die
Menschheit eine mildere Luft und einen günstigern Boden, wo der Geist sich sammeln
und seine Kräfte entwickeln lernte. Nur der nördliche Rand ist frühzeitig, haupt¬
sächlich durch Einflüsse von Asien, Kulturland geworden; Algier im Norden, die Kap¬
kolonie im Süden können wieder eine Nolle in der Geschichte spielen, aber nicht
durch afrikanischen Geist, sondern durch europäische Kraft, von den Franzosen und
Engländern in diesen Welttheil getragen.
Afrika hat von allen Erdtheilen die ungünstigste Lage und Gestaltung seiner
Oberfläche erhalten; denn es liegt fast ganz in der heißen Zone, wenn es schon im
Norden und Süden bis in den gemäßigten Erdgürtel reicht. Die Hitze versengt und ver¬
brennt daher nicht bloß den Pflanzenteppich der Erde, sie tödtet auch den Europäer, der
es wagt, ihr Trotz zu bieten. Nur eine Negerhaut vermag die afrikanische Hitze
ohne Schaden zu ertragen und den heißen, alle Lebenssäfte ausdörrenden Wüsten¬
winden zu widerstehen. Selbst zu Kairo in der Nähe der kühlenden Luft des mit¬
telländischen Meeres ist die mittlere Jahrestemperatur gegen 18 ° Reaumur (d. h.
des achtzigtheiligcn Thermometers), während si> in Stuttgart gegen 8° beträgt.
Dabei ist der Wechsel zwischen Tageshitze und Nachtkühle höchst empfindlich, und
mancher Reisende ist schon an den Folgen der Erkältung gestorben. Die Jahres¬
zeiten kennen nur den Wechsel zwischen Trockenheit und Regen, und während des
über ein halbes Jahr dauernden, trockenen Sommers erquickt kein Regen, in einigen
Gegenden auch kein Thau die öde, lechzeude Flur; ein wolkenloser, tiefblauer Him¬
mel wölbt sich über der dürstenden Erde. Schnell steigt die Sonne senkrecht über
den Rand der Wüste empor, und wie die Jahreszeiten, welche im Süden Afrikas
den unsrigen entgegengesetzt sind (im Kapland findet die Weizenernte im December
und Januar statt), so folgen auch Tag und Nacht in schroffem Wechsel. Eine Däm¬
merung erquickt hier nicht das von den grellen Farben geblendete Auge. Selbst die
in manchen Gegenden starken Regen der kühleren sogenannten Winterszeit bringen
wenig Erquickung, und die Gewitter, so heftig sie auch sind, reinigen die Luft nur
auf kurze Zeit. Und wenn dann, nach achtmonatlicher Dürre, der Pflanzenschmuck
mit aller Farbenpracht und üppigen Fülle schnell wie durch Zauberei aus dem ver¬
kohlten Boden aufschießt; so ist wieder der Körper des Menschen so erschlafft, daß
ihm die Freude an der schönen Natur vergeht. Der Mensch ist immer nur an sein
leibliches Dasein gemahnt, der Hunger, die Furcht oder die Rache treiben ihn allein
zum Handeln, und der Gedanke an eine höhere Welt kommt nicht in die Seele.
Vielleicht mehr noch, als das heiße Klima, ist die Gestalt des großen Erdtheils
einem regen und frischen Geistesleben hinderlich gewesen. Afrika ist auf allen Seiten
verschlossen, es hat den allereinförmigsten Küstensaum, die allerdürftigste Jnselbil-
dung, die unzugänglichsten Küsten. Nur da, wo das Meer zum Innern eines Erd-
theils dringt und Halbinseln bildet, wird das Bedürfniß nach gegenseitigem Verkehr
unter den Völkern angefacht. In Afrika ist aber da, wo sich die Wüsten ius Meer
erstrecken und niedere Küsten bilden, das Schiff der Gefahr des Strandens ausge-
setzr, an der Südhälste des Erdtheils fällt aber fast überall die Küste schroff ab, und