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54. Das mitleidige Maͤdchen und der haͤß—
liche Hund.
Die kleine Mathilde war an einem schoͤden Som⸗
mermorgen mit ihrer Mutter ausgefahren, und der
Wagen, mit zwei muthigen Pferden bespaunt, war eben
an eine Bruͤcke gekommen, als ein großer Volkéhaufen,
der sich auf der Bruͤcke versammelt hatte, ihre Aufmerk⸗
samkeit auf sich zog. Es waren mehrere Straßenjun⸗
gen, die einen kleinen haͤßlichen Pudel an einen Strick
gebunden hatten, und ihn nun unter lautem Geschrei
und Lachen der gefuͤhllosen Zuschauer an den Rand der
Bruͤcke schleppten, um ihn in's Wasser zu werfen.
Nachdem Mathilde ihre Mutter um Erlaubniß ge⸗
beten, fragte sie die Jungen, ob sie ihr nicht etwa den
Hund verkaufen wollten. Die Jungen lachten ihr in's
Gesicht und sagten: „fuͤr zwei Schillinge sollte sie das
garstige Vieh haben.“ Mathilde sah bittend ihre Mut⸗
ter an, die so guͤtig war, die zwei Schillinge fuͤr sie
zu bezahlen und zu erlauben, daß sie den Hund in die
Kutsche nehmen durfte. Kaum hatten die Knaben den
Hund hineingelangt, als der Wagen davon fuhr, aber
noch von Ferne hoͤrte Mathilde das Gelaͤchter der
Straßenjungen, welche sie fuͤr gewaltig dumm hielten,
einen so haͤßlichen Hund gekauft zu haben.
Alle Dienstboten im Hause ihrer Mutter waren
derselben Meinung, aber Mathilde ließ sich ihr Mitleid
gegen den armen Hund nicht leid thun. 3 ihm
des Morgens etwas Milch von ihrem Fruhstuͤck und
des Mittags einige Kartoffeln und Schwarzbrod wo⸗
durch das kleine Thier sich so an sie gewoͤhnte daß es
2 ihr
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