II
76
Steuerleute und Kapitäne. Durch einen 3—4 km breiten Sund wird Rügen, die
größte und schönste Insel Deutschlands, vom Festlande getrennt. Überall dringt
das Meer in die Insel ein und bildet daher viele Halbinseln und Landzungen. Die
Hauptstadt ist Bergen, der Glanzpunkt die Stubbenkammer, ein steiler, 120 m
hoher Kreidefelsen. Sein Gipfel, der Königs stuhl, gewährt eine 40 km weite
Aussicht über das Meer. Etwa 15 Minuten westlich von der Stubbenkammer
findet man in einem prächtigen Buchenwalde den „Herthasee". Ein 15 m
hoher Erdwall und mehrere in der Nähe gefundene Opfersteine deuten darauf
hin, daß sich hier ehemals eine heidnische Opferstätte befand. In neuester Zeit
ist Rügen ein beliebter Sommeraufenthaltsort der Berliner geworden. Badeörter
sind Saßnitz und Putbus.
In dem Küstenlande Mecklenburgs, das neben fruchtbarem Marschboden doch
auch viel sandigen Boden aufzuweisen hat, find die Bewohner vorzugsweise auf
Handel und Seefahrt hingewiesen.
Die wichtigsten Seehandelsstädte sind Wismar und Rostock (65 T.) mit dem Vorhafen
Warnemünde. In Rostock wurde Blücher geboren, dem dort ein Standbild errichtet ist.
An der Trave liegt die ehemalige Königin des Hansabundes, die freie Reichsstadt Lübeck
(100 T.). Als zur Zeit der Hansa in dem großen Saale sich die Vertreter aller der Hansa
angehörenden Städte versammelten, zählte die Stadt 100 000 Einwohner. Allein seit der
Entdeckung Amerikas ist Lübecks Handel vorwiegend auf die Ostsee beschränkt. Durch Ver¬
besserung des Unterlaufs der Tratte und Anlegung des kostspieligen Elbe-Travekanals
(25 Mill. Mark) hofft man den Verkehr wieder zu heben.
6. Der Schleswig-Holsteinische Landrücken. In Schleswig-Holstein wendet
sich der Landrücken allmählich nach Norden. Der lieblichste Teil ist die „Holsteinische
Schweiz" mit ihren schönen Seen (Plöner See), den prächtigen Buchen- und
Eichenwäldern. Die Hüpel treten dicht an die Ostsee heran. Infolge der geringen
Höhe ist der Lehmboden fruchtbar. Schleswig-Holstein ist mit Mecklenburg das
beste Getreideland Deutschlands. Die Felder sind hier wie auch vielfach
in der Mitte der Halbinsel mit sogenannten Knicks umgeben. Das sind grüne
Hecken, die auf Erdwällen stehen und zur Einfriedigung der Äcker und zum
Schutze des Viehes gegen die rauhen Winde dienen sollen. Von Zeit zu Zeit
wird das Buschwerk geknickt, d. h. abgehauen, daher der Name. Wichtig sind die
zahlreichen Meeresbuchten (Föhrden) an der Ostküste, die meist sehr tief in das
Land einschneiden. Daher liegt auch am Ende jeder Bucht eine größere Stadt:
Kiel (215 T., Universität), Eüernsörde, Schleswig, Flensburg (65 T.).
Die Kieler Bucht ist der wichtigste deutsche Kriegshafen der Ostsee. Er erstreckt sich
15 km landeinwärts und hat eine Tiefe von 9—11 m. Der Hafen ist 1866 für die deutsche
Flotte hergestellt, und seitdem ist Kiel eine echte Marinestadt geworden. Überall sieht
man Matrosen in ihren blauen Jacken mit dem breiten Kragen. Weithin hört man den
Hammerschlag von den Werften und den schrillen Pfiff der Bootsmannspfeife. An den
Übungstagen erzittern vom gewaltigen Donner der Kanonen Türen und Fenster in der Stadt.
Auf den kaiserlichen Schiffswerften werden große Panzerschiffe erbaut, in den Trockendocks
schadhafte Schiffe ausgebessert.
Der 1895 eröffnete Kaiser Wilhelms-Kanal, der die Elbmündung mit
dem Kieler Hafen verbindet, ist von großer Bedeutung für unsere Marine und unseren
Handel. (Vorteil für Kiel; Nachteil für Lübeck.)
Den Vorsprung nordöstlich von Flensburg bildet die Halbinsel „Sundewitt"
mit den Düppeler Schanzen. Gegenüber liegt die Insel Alsen mit Sonder-