HI. Waturgeschichte.
A. Sommerhalbjahr.
I. Aas erste Erwachen des Waldes.
Der Schnee ist geschmolzen. Die Sonne lacht. Der Frühling ist da. Aber noch
zögert der Wald, sein grünes Festgewand anzulegen. Wintereiche und Hainbuche
tragen noch bis in den Mai hinein ihr Winterkleid — die trocknen gelben Blätter des
Vorjahres. Es dauert lange, ehe die langsam schwellenden Knospen sie perdrängen
und sich zu öffnen wagen. Da sind Sahlweide, Haselstrauch und Erle kecker, deren
Blütenkützchen sich schon Ende Februar oder im Anfange des März öffnen. Auch der
giftige Seidelbast schimmert bereits im März im rötlichen Blütenschmnck, und bald
darauf recken auch — unterm Busche versteckt — Leberblümchen, Windröschen und
Himmelsschlüssel ihre Blütenköpfchen hervor. Am Waldrande duftet das bescheidene
Veilchen, und auf der sumpfigen Waldwiese sieht man die goldigen Hoffnnngssterne
des Scharbockskrautes erglänzen. — Auch in der Tierwelt des Waldes wird es leben¬
dig. Als einer der ersten unter den heimkehrenden Vögeln erschien bereits Ende Februar
der lustige Star. Hoch oben im kahlen Wipfel fiötet auch die Schwarzdrossel schon ihr
Frühlingslied. Sie ist im März zurückgekommen oder hat bei uns überwintert. Dort
im dürren Geäst des knorrigen, höhlenreichen Eichbaumes girren auch bereits die Ringel-
und die Holztaube, die ebenfalls im Märzeingetroffen sind. Kuckuck und Nachtigall sind
noch nicht da. Sie kommen meist erst in der zweiten Aprilhälfte, wenn die Lüfte noch
lauer geworden find. Von den Winterschläfern des Waldes ist die Kreuzotter am
frühesten erwacht. Sie zeigt sich schon im März, um sich an einem schneefreien Platze
vor ihrem Loche zu sonnen. Im April erwachen auch Ringelnatter und Eidechse.
Dann verläßt auch Meister Grimbart schon häufiger in der Dämmerstunde seine Höhle.
— Aber die Ameise rührt sich noch nicht in ihrem Bau und harrt wie die unterm Moose
ebenfalls noch schlafende Hummel der wärmeren Lüfte des Maimonats.
1. Das Scharbockskraut.
1. Die KariptLeite dev 'Zfflcmzen. An dem Scharbockskraute unterscheiden
wir 1) die Wurzel, 2) den Stengel, 3) die Blätter, 4) die Blüten und 5) die Früchte.
Wir finden diese Teile bei den meisten Pflanzen und nennen sie Hanptteile.
2. Die Wuvzek hat den Zweck, die Pflanze im Erdboden zu befestigen und sie
mit Nahrungsstoffen zu versorgen. Sie wächst stets von oben nach unten, während
der Stengel von unten nach oben wächst. Auch treibt sie niemals Blätter oder Blüten;
hierzu ist vielmehr nur der Stengel imstande. Bei dem Scharbockskraute dient sie
auch noch zur Vermehrung der Pflanze. Hier haben sich nämlich einzelne Wurzeln
zu länglichen Knollen verdickt, aus denen sich neue Pflanzen bilden. Zur Blütezeit
finden wir unter den Wurzelknollen meistens eine verwelkte. Diese stammt aus dem
vorigen Jahre und ist als Mutterknolle der Pflanze anzusehen.
3. Wkättev. An den Blättern des Scharbockskrauts unterscheiden wir Blattstiel
und Blattfläche, an der Blattfläche wiederum: Blattgrund, Blattspitze, Blattrand,
Ober- und Unterseite, Blattadern. Da die Blätter in ihrer Gestalt der Form eines
Herzens nicht unähnlich sind, so nennt man sie „herzförmig". Der Blattrand ist bei
einigen Blättern mit schwach hervorspringenden Ecken und einspringenden Winkeln
versehen und heißt deshalb „eckig", bei andern fehlen die Hervorragungen und Ein¬
schnitte, weshalb diese Blätter „ganzrandig" genannt werden.
4. Wküte. Aus dem dunklen Grün der Blätter leuchten die goldgelben Blüten
gleich lieblichen Sternen hervor. Der grüne Kelch derselben ist 3 (oder 4—5) blätterig
und fällt gleich nach dem Aufbliihen ab. Die 6 — 10 Blütenblätter verleihen der
Keatienbuch A. (XII. Naturgeschichte.) j