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mer anweisen, und ermahnte ihn, die bestimmte Zeit der Ruhe für beide
Damen nicht zu unterbrechen.
Bald hatte er dann seine Reisekleider abgeworfen, und eilte nun, mit
steigendem Vergnügen, in einem Gange durch die wohlbekannten Räume des
alten Wohnsitzes, ganz in der Stille das Fest der Erinnerung zu feiern.
Die Stunde des Tages war ihm günstig, die Gesellschaft zu Pferde und
Wagen hinausgeeilt, die Schönheit des Wetters zu genießen, und Lord Nich-
mond konnte sicher sein, den Theil des Schlosses, wohin sein Herz mit kind¬
licher Lust sich sehnte, zu erreichen, ohne vor dem Besuch bei den Herzogin¬
nen mit den andern Bewohnern zusammenzutreffen.
Die Zimmer, die er zu besuchen wünschte, stießen zunächst an die Woh¬
nung der alten Herzogin, und man gelangte zu ihnen durch eine Gallerie,
die eine zahllose Reihe alter Ahnenbilder aus dem Hause Nottingham und
den nach und nach damit verbundenen Häusern, welche die Frauen zu diesem
berühmten Geschlecht geliefert hatten, enthielt. In dem Alter ihres Daseins
stellten sie außer dem Stammbaum ihres stolzen Hauses auch noch die stufen¬
weise Entwicklung der Kunst dar, die hier von den naivesten Versuchen einer
dürren Angabe von Kopf und Händen bis zu den entzückenden Schöpfungen
eines Holbein und van Dyk in Uebergängen zu finden war. Zu diesen
Studien hatte Richmond offenbar keine Andacht mitgebracht; denn er schlich
eilig an ihnen hin, als fürchte er ihre Ansprüche an seine Theilnahme, und
schnell sehen wir ihn in einer Hauptthür verschwinden, die nach der Front¬
seite des Schlosses führte.
Er stand jetzt einsam und seinen Gefühlen überlassen in dem großen
Gemach mit purpurrothen Sammettapeten, das in seiner stillen Pracht und
hergebrachten Ordnung sich behauptete, trotz der Jahre, die über ihm hin¬
gegangen. Die Fenster waren große Thüren, durch deren helle Scheiben ein
klares Licht einfiel, und die zugleich einen Ausblick gewährten aus einen
breiten, an mehreren Zimmern hinlaufenden Altan. Ein steinernes Geländer
umzog diesen lustigen Raum, und zeigte in regelmäßiger Entfernung schlanke
Strebepfeiler, welche einen leichten Ueberbau, mit reicher Stuccatur versehen,
trugen, der den Altan deckte, und ihn zu einem offenen und doch gegen die
Unbilden des Klima's in etwas gesicherten Saal machte, dessen angenehm
geschützte Lage ihn zum Lieblingsaufenthalte für die Morgen- und Abend¬
stunden der alten Herzogin bestimmt hatte.
Die tiefe Stille, die hier herrschte, und nur durch den Gesang der Vögel
unterbrochen ward, welche in den dichten Laubgebüschen unter dem Altan
nisteten, machte ihn zu einem Asyl der Heimlichkeit und Ruhe. Doch be¬
herrschte der Blick, weit über diese Waldeinsamkeit hinaus, das Land in
großartigen Massen, mit dem glänzenden Bande des breiten Stromes und
den schönen Berglinien des ferneren Hochlandes, ein weites und geräusch¬
volles Bild des Lebens entfaltend, dessen Einwirkung an der grünen Oase
dieses friedlichen Ruhepunktes zu enden schien.
Hierher sehnte sich Richmond, hier wollte er wieder der süßen Zwie¬
sprache lauschen, die er als Knabe mit seiner Sehnsucht und seinen Träumen