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104. Ter westfälische Hosschulze.
Im Hofe zwischen den Scheuern und Wirtschaftsgebäuden stand mit
aufgekrempten Hemdsärmeln der alte Hofschulze und schaute achtsam in ein
Feuer, welches, zwischen Steinen und Kloben am Boden entzündet, lustig
flackerte. Er rückte einen Ambos, der daneben stand, zurecht, legte sich
Hammer und Zange zum Griffe bereit, prüfte die Spitzen einiger großen
Radnägel, die er aus dem Bruststücke des vorgebundenen Schurzfells zog,
legte die Nägel auf das Bodenbrett des Leiterwagens, dessen Räder er
ausbessern wollte, und drehte die Stelle des Rades, von welcher ein Stück
Schiene abgebrochen war, vorsichtig nach oben, worauf er durch untergeschobene
Steine das Rad in seiner Stellung befestigte.
Nachdem er wieder ein paar Augenblicke in das Feuer gesehen hatte,
ohne daß seine hellen und scharfen Augen davon zu blinzeln begannen, fuhr
er rasch mit der Zange hinein, hob das rothglühcnde Eisen heraus, legte
es auf den Ambos, schwang den Hammer darüber, daß die Funken sprühten,
schlug das noch immer glutröthliche um das Rad, da, wo die Schiene
fehlte, schlug und schweißte cs mit zwei gewaltigen Schlägen fest und trieb
dann die Nägel, welche es in seiner weichen Dehnbarkeit noch immer leicht
hindurchließ, an ihre Plätze.
Einige der stärksten und heftigsten Schläge gaben dem eingefügten
Stücke das letzte Geschick. Der Schulze stieß mit dem Fuße die vor das
Rad gelegten Steine hinweg, faßte den Wagen bei der Stange, um das
geflickte Rad zu prüfen, und zog ihn ungeachtet seiner Schwere ohne An¬
strengung quer über den Hof, sodaß die Hühner, Gänse und Enten, welche
sich ruhig gesonnt hatten, mit großem Geschrei vor dem rasselnden Wagen
entflohen und ein paar Schweine aus ihrem eingewühlten Lager grunzend
auffuhren.
Zwei Männer, von denen der eine ein Pferdehändler, der andere ein
Rendant oder Receptor war, hatten, unter der großen Linde vor dem Wohn-
hause fitzend und ihren Trunk verzehrend, der Arbeit des alten rüstigen
Mannes zugesehen. »Das muß wahr sein", rief jetzt der Pferdehändler,
»Ihr hättet einen tüchtigen Schmied abgegeben, Hofschulze!"
Der Hofschulze wusch in einem Stalleimer voll Wasser, welcher neben
dem kleinen Ambos stand, sich Hände und Gesicht, goß dann das Feuer
aus und sagte: »Ein Narr, der dem Schmied gibt, was er selber ver¬
dienen kann." Er nahm den Ambos auf, als sei er eine Feder, und trug
ihn nebst Hammer und Zange unter einen kleinen Schuppen zwischen Wohn¬
haus und Scheuer, in welchem Hobelbank, Säge, Stemmeisen und was
sonst zum Zimmer- und Schrcinergcwerk gehört, bei Holz und Brettern
mancher Art stand, lag oder hieng.
Indem der Alte sich unter dem Schuppen noch zu schaffen machte,
sagte der Pferdehändler zu dem Receptor: »Wollen Sie glauben, daß der
auch alle Pfosten, Thüren und Schwellen, Kisten und Kasten im Hause mit
eigner Hand flickt, oder, wenn das Glück gut ist, auch neu zuschneidet? Ich
meine, wenn er wollte, könnte er auch einen Kunstschreiner vorstellen und
würde einen richtigen Schrank zu Wege bringen."
»Da seid ihr im Irrthum", sprach der Hofschulze, der das Letzte gehört