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das der Bürgergemeinde zugestanden wurde, übte sie durch die
Schöffenkollegien und vielfach durch zeitweilige Ausschüsse aus
(u. a. wohl auch die Aufsicht über Mass und Gewicht und die
Gerichtsbarkeit in Handels- und Gewerbesachen). An die Stelle
dieser Ausschüsse trat seit dem XII. Jahrhundert die ständige
Behörde des Bates (consilium, consules) mit einem oder meh¬
reren Bürgermeistern (magistri civium) an der Spitze. Als Ver¬
treter der Gemeinde bekam der Rat immer mehr die städtischen
Angelegenheiten in die Hand und drängte den Stadtherrn
(wenigstens in der Verwaltung) hie und da unter schweren
Kämpfen (z. B. Strassburg, Köln), meistens aber durch Abkauf
der Hoheitsrechte immer mehr auf die Seite. Die gegründeten
Städte erhielten, wenn nicht sogleich, so doch sehr frühe einen
Bat. In der ersten Zeit waren in vielen Städten auch Handwerker
Mitglieder des Bats. Aber bald bildete sich aus den
Grossgrundbesitzern, Grosskauf 1 euten und früheren
Ministerialen des Stadtherrn, die sich auf die Seite der
Gemeinde gestellt hatten, eine Nobilität, die immer mehr
sich abschloss und den Rat ausschliesslich aus ihren Kreisen
besetzte. Gegen das Regiment der „Geschlechter“, das
mit der Zeit die Stadtlasten möglichst auf die nichtratsfähigen
Bürger abwälzte und vielfach eine finanzielle Misswirtschaft
und schlechte oder gar feile Rechtspflege übte, erhob sich
der in den Zünften organisierte Handwerkerstand.
Wie die Kauf leute in Gilden (gilde, „convivium“, eine Bundes-,
ursprünglich Bluts-Bruderschaft, zu gegenseitigem Schutze mit regelmässigen
Gelagen), so schlossen sich die Handwerker in Innungen oder Zünlten,
(Gilden, in Norddeutschland „Aemtern“) zusammen, die im XIII. Jahrhundert
im Süden und Norden schon sehr entwickelt (Friedrich II. verbot sie mehrere-
mal) und von seiten der Stadtregierung anerkannt waren. Sie waren wohl
mehr nach dem Vorgang der Genossenschaften der hofrechtlichen Handwerker
als aus dieseil heraus entstanden Den gemeinsamen Kult eines Heiligen, die
Sorge für Begräbnis und Seelenmessen überwog bald die Vertretung der gemein¬
samen weltlichen Interessen. Anfangs war das Band weiter (mehiere, freilich
meist verwandte Gewerbe in einer Zunft vereinigt) und freier (kein Befähigungs¬
nachweis nötig und Teilnahme an mehreren Zünften möglich), bald wurde es
eng und fest. Der Zunftzwang wurde zuerst ausgeübt; dann beauftragte die
Stadtregierung diese Vereinigungen der nun auch für den Verkauf arbeitenden
Handwerker mit der Gewerbepolizei und Gewerbegerichtsbarkeit (unter Leitung
des Burggrafen bezw. der ihn vertretenden Zunftmeister); hieraus entwickelte
sich dann (im XIV. und XV. Jahrhundert) die Fürsorge einerseits für den
Konsumenten (und damit für den guten Ruf des Gewerbes der Stadt) durch
Prüfung- der Qualität des Rohstoffs und der Arbeit, andererseits für Ein¬
schränkung des Wettbewerbs unter den Zunftgenossen durch Festsetzung einer
Maximalzahl von Gehilfen und Lehrlingen, eines normalen Arbeitstages uncl
des Lohns der Gehilfen. Einen heilsamen erzieherischen Einfluss übten die
Zünfte lange durch feste Ausbildung des Lehrlings- und Gesellemoesens. 1 oli-
tische Bedeutung zu erlangen, wurde ihnen besonders auch dadurch ermög¬
licht, dass nach ihnen die städtische Wehrmannschaft zu Fuss sich gliederte