Full text: Lehrbuch für den erzählenden Geschichts-Unterricht an höheren Schulen

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in Katalonien und hielt wie ein Ritter vor der Schwertleite, 
den Pilgerstab in der Hand, betend und weinend die Nachtwache 
am Altar der Jungfrau. Statt des Stahlgewandes hüllte er 
sich in ein härenes Bußgewand und gürtete sich mit einem dicken 
Seil, auch wohl mit eiserner Kette. 
Dann weilte er ein Jahr lang bei den Dominikanern in 
Manresa. Dreimal täglich geißelte er sich, sieben Stunden 
lag er im Gebete; aber alles Beten und Fasten und alle Selbst- 
Peinigung gaben ihm keine Ruhe; die Sündenangst trieb ihn bis 
zu Selbstmordgedanken. 
2. Endlich nach wiederholten Wundern überwand er durch 
eiserne Willenskraft seine Zweifel. Er begann ergreifende Büß- 
predigten zu halten und Kinder zu unterweisen; er that eine 
Wallfahrt nach Rom und Jerusalem. Aber dort untersagten 
ihm die Franziskaner-Obern seelsorgerische Thätigkeit, weil er 
weder Vorkenntnisse noch Vollmacht besaß. 
Er kehrte zurück und verlegte sich eifrig auf das Studium. 
Obgleich schon tief in den Dreißigen, setzte er sich in Barcelona, 
dann in Alcala bei Madrid und in Salamanka auf die Schul- 
bank, um Latein zu lernen. Er lebte von Almosen; seine geist- 
lichen Übungen brachten ihn mehrmals in den Verdacht der 
Ketzerei. Sieben Jahre lang studierte er in Paris^ Philosophie 
und Theologie. Dort gewann er einige junge Spanier und 
Franzosen zu einer Bekehrnugs-Wallfahrt nach Palästina, und als 
sich in Venedig binnen Jahressrist keine Gelegenheit zur Uber- 
fahrt bot, begaben sich die jungen Männer nach Rom. Schon 
damals bezeichneten sie sich als das Fähnlein, die „Kompanie 
Jesu"; Christus sollte ihr Feldhauptmann sein im Kampfe gegen 
den bösen Feind. 
3. Auf den Straßen Venedigs und Roms mahnten sie in 
feurigen Predigten zur Buße; eine Hungersnot, welche der harte 
Winter verschuldet hatte, gab ihnen Gelegenheit, ihre Nächsten- 
liebe zu bethätigen. So erwarben sie das Vertrauen des Volkes 
wie des Papstes Paul III. „Der Himmel hat uns Palästina 
verschlossen, um uns dafür die Welt zu eröffnen," rief Loyola. 
Durch eine feierliche Bulle erteilte der Papst dem Jesuiten- 
Orden die Genehmigung, welcher „unter Christi Fahnen Gott 1540 
dienen" wollte und die Fürsorge für das Seelenheil wie die Aus- 
breitung des wahren, d. h. katholischen Glaubens, die Abhaltung 
geistlicher Übungen und die Vollbringung frommer Werke, die 
Erziehung der Jugend, Beichtehören und Krankenpflege als seine 
höchsten Aufgaben ansah. Neben den gewöhnlichen Mönchs- 
gelübden war der Jesuit zu unbedingtem Gehorsam ausschließ- 
lich gegen die Befehle seiner Vorgesetzten und des Papstes ver-
	        
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