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es Abends gegen 5 Uhr im Rücken des Feindeö von preußischem 
Geschütze, und freudig rief Wellington: „Nun, Gottlob, da ist der 
alte Blücher!" Dieser hatte Alles gethan, um den Zug zu be¬ 
schleunigen; doch war er von vornherein durch eine Feuersbrunst 
zu einem Umwege gezwungen worden. Dazu kam, daß der un¬ 
aufhörliche Regen den Boden ganz durchweicht und die Flüsse an¬ 
geschwellt hatte. Das Fußvolk und die Reiterei konnten nur mit 
Mühe vorwärts; das Geschütz vollends machte unsägliche Be¬ 
schwerde. Blücher, in lebhafter Sorge, sein Wort zu lösen, rief 
anfeuernd sein „Vorwärts, Kinder!" in die Reihen der Krieger 
hinein. Diese erlagen fast den Mühseligkeiten. „Es geht nicht 
mehr!" murrten sie. — Da redete sie Blücher mit tiefster Bewe¬ 
gung und Kraft an: „Kinder, wir müssen vorwärts! Es heißt 
wohl: Es geht nicht; aber es muß gehen; ich hab' es ja meinem 
Bruder Wellington versprochen! Ich habe es versprochen; hört 
Ihr wohl? Ihr wollt doch nicht, daß ich wortbrüchig werden soll?" 
— Und so ging es dann vorwärts, und man konnte wenigstens 
nach 4 Uhr auf dem Schlachtfelde eintreffen. Zwei Heerhaufen 
des Bülow'schen Heeres schritten sofort zum Angriff. Von den 
Waldhöhen im Rücken des Feindes hervorbrechend, senkte sich 
die preußische Schlachtreihe, Reiter, Fußvolk und Geschütz, in 
schöner Ordnung den stnfenartigen Bergeshang in das Kampfgefilde 
hinab. Während die Trommeln wirbelten und Hörner und Trom¬ 
peten lustig dareinschmetterten, donnerten die Kanonen, in mehre¬ 
ren Reihen übereinanderstehend, auf die Feinde hinab. — 
Napoleon erkannte alsbald die drohende Gefahr. Der ganze 
starke Rückhalt des französischen Heeres, der noch keine Mühe des 
blutigen Tages getheilt, mußte die Preußen empfangen. Er sollte 
ihnen so lange widerstehen, bis das britische Heer aus dem Felde 
geschlagen sei. Ein kräftiger Sturmangriff, so glaubte Napoleon, 
würde ihre Reihen jetzt zum Weichen bringen. Seine besten 
Schaaren, seine alten, erprobten Garden, mußten vor. Diese Krie¬ 
ger hatten keinen anderen Entschluß, als zu siegen oder zu sterben. 
Als sie von Frankreich auszogen, umhüllten sie selbst die goldenen 
Adler auf ihren Fahnenschaften mit Trauerflor, den sie nicht eher 
abnehmen wollten, als bis die Feinde ihres Kaisers in entschei¬ 
dender Schlacht vernichtet wären. Wellington sah diese entschlossenen 
Schaaren wie eine düstere Gewitterwolke heranziehen. Aber seine 
wackeren Krieger bebten nicht. Der Feldherr ließ sein Geschütz 
Vortheilhaft aufstellen, und als der Feind in Schußweite heran 
gekommen war, da schmetterten die Kugeln furchtbar in seine Rei¬ 
hen hinein. Doch schnell schlossen die Franzosen sich immer wie¬ 
der zusammen, und immer weiter in kühner Todesverachtung schrit¬ 
ten sie zum Sturm gegen die bedrohten Höhen vor. Als endlich 
Fußvolk und Reiter mit wildem Ungestüme auf die Stürmenden
	        
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