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List als Gewalt zu unterwerfen und wußte, wie früher Cäsar, sie
zu Kriegsdiensten im römischen Heere zu bereden; auch die kaiser¬
liche Leibwache war fast ganz aus Deutschen gebildet. So kamen
viele junge Deutsche, unter diesen auch Hermann oder Armin, der
Sohn eines.Cheruskerfürsten, nach Rom, lernten dort die römische
Kriegskunst näher kennen, und Letzterer erwarb durch seine Tapfer¬
keit sogar die römische Ritterwürde.
29. Die Hermannsschlacht.
Als Hermann wieder in sein Vaterland zurückkehrte, führte
der römische Feldherr Varus den Oberbefehl in Deutschland und
gab sich alle Mühe, römische Gesetze, Sitten und Sprache daselbst
einzuführen. Er zog die Deutschen vor sein Gericht, legte ihnen
entehrende Strafen auf und erlaubte sich Bedrückungen aller Art.
Mit tiefem Schmerz sah Hermann die schmähliche Erniedrigung sei¬
nes Vaterlandes und befürchtete die baldige vollständige Unterjochung
seines sonst so hochherzigen und freiheitsliebenden Volkes. Mit ge¬
wandtem Geiste und kühnem Muthe faßte er den großen Plan zur
Befreiung Deutschlands, verband sich im Geheimen mit den Häupt¬
lingen mehrerer deutschen Volksstämme und trat selbst an die Spitze
der Verschwörung.
Als nun die Deutschen gerüstet waren, mußten die Völker an
der Ems, Lippe und Weser Unruhen erregen. Hermann, zum
Scheine noch immer ein Freund der Römer, befand sich, als die
Nachrichten hievon im Lager anlangten, selbst bei dem Feldherrn
Varus und beredete diesen, in Person mit seinem ganzen Kriegs¬
heere gegen die Aufrührer zu ziehen, um diese empfindlich zu züch¬
tigen. Varus folgte diesem Rath, obwohl S egest es, Hermann's
Schwiegervater, aus Haß gegen seinen Schwiegersohn, den Feldherrn
warnte und ihm sogar rieth, Hermann und alle übrigen Anführer
der Deutschen, die noch im römischen Heere dienten, fesseln zu lassen,
weil er wisse, daß sie den Römern Verderben geschworen hätten.
Varus gab jedoch dieser Warnung kein Gehör. Mit seinem ganzen
Heere, bestehend aus 3 Legionen und 6 Cohorten (ungefähr 21,000
Mann) der besten römischen Soldaten nebst vielen Wagen, brach er
auf, um die entstandenen Unruhen mit Gewalt zu unterdrücken.
Hermann erhielt sogar den Befehl über die Nachhut des Heeres,
welche ganz aus deutschen Hilfstruppen bestand. Er benützte hie
ihm dadurch gegebene Gelegenheit sogleich, um im Rücken des Heeres
die Straßen und Brücken zu zerstören und dadurch den Rückzug
unmöglich zu machen. Hierauf vereinigte er sich mit andern Deut¬
schen, und als die Römer durch wilde, morastige Gegenden, mitten
im Teutoburger Wald, gekommen waren, stürzten die Deutschen von