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A. Zur Allgemeinen Erdkunde.
Man könnte einwenden, daß die Verdunstung ebensoviel Wärme wieder latent
macht, als durch die Kondensierung frei wurde, uud das ist gauz richtig; da aber Ver-
dunstung und Verdichtung gewöhnlich zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen
Orten stattfinden, so ist die Ausgleichung der Temperatur innner eine sehr wesent-
liche. Die Verdunstung ist am stärfsten bei heißestem Sonnenscheine, und da mäßigt
sich die extreme Hitze; die Kondensation — in Form von Regen und Tau — ist am
stärksten zur Nachtzeit, und dann ersetzt die Wärme, welche frei wird, zum Teil die
Sonnenhitze. Ferner wird die Kondensation in beiderlei Form in hohem Grade
durch die Vegetation, besonders durch den Waldwuchs, beeinflußt; nicht minder
durch Gebirge und hohe Lage. Die Verdunstung ist dagegen, sowohl infolge der
geringeren Zahl wolkiger Tage als der anhaltenderen Luftströmungen, auf dem
Meere weit größer. Das ist namentlich in dem großen Teile der Tropenzone uud der
Subtropeuzoue der Fall, wo die Passatwiude herrschen; dort wird bei geringer Regen-
menge die Dampfbildung ganz außerordentlich groß. Daraus folgt aber wiederum,
daß auf den Landflächen der Äquatorialzone ein erhebliches Übergewicht der Kon-
densation über die Verdunstung stattfindet; und dies muß uicht nur eine Mehrung
der Wärme daselbst zur Folge haben, sondern wegen der Verstärkung der Konden-
sation zur Nachtzeit ganz besonders zum Ausgleich der Temperatur beitragen.
Allgemeine Charakteristik des äquatorialen Klimas. — Die ver-
schiedenen Ursachen, welche bisher aufgezählt sind, machen es vollkommen verständ-
lich, wie die Grundzüge des äquatorialen Klimas sich bilden; wie es möglich ist, daß
eine so hohe Temperatur während der Nachtzeit erhalten bleibt, und warum der
Wechsel des Standes der Sonne auf ihrem Wege vom nördlichen zum südlichen
Wendekreise so genügen Einfluß hat. In dieser glücklichen Zone ist die Hitze nie
drückend, wie sie es an den Grenzen der Tropenwelt so oft wird; der hohe Grad von
Feuchtigkeit, welcher stets in der Luft vorhanden, ist der Gesundheit des Menschen
fast ebenso zuträglich, als er förderlich für den Pflanzenwuchs ist. Die Temperatur-
abnähme zur Nachtzeit ist so regelmäßig uud zugleich so gering, daß sie nie unan-
genehm wird, daß aber auch die Nächte nie so schwül sind, um den Schlaf zu hindern.
Während der feuchtesten Jahreszeit vergehen doch selten mehrere Tage hinterein-
ander, ohne daß nicht wenigstens einige Stunden Sonnenschein dazwischen kämen,
und selbst in den trockensten Monaten kommen gelegentlich Regenschauer vor, welche
die überhitzte Erde kühlen und erfrischen. Infolge dieser Beschaffenheit des Bodens
und der Luft tritt nie eine Unterbrechung des Pflanzenwuchses und höchstens ein
ganz geringer Unterschied der Jahreszeiten ein. Alle Pflanzen sind immergrün;
Blumen und Früchte, wenn auch zu manchen Zeiten in größerer Fülle vorhanden,
fehlen doch niemals; viele einjährige Getreidepflanzen und manche Fruchtbäume
liefern jährlich zweimalige Ernten. In anderen Fällen bedarf es mehr als eines
Jahres, um die großen, massigen Früchte znr Reife zu bringen, und daher ist es keines-
wegs selteu, daß man reife Früchte gleichzeitig mit den Blüten für die nächste Ernte
am nämlichen Baume sieht. So ist es z. B. mit der brasilianischen Nuß am Ufer
des Amazonenstromes der Fall, aber auch mit manchen anderen Fruchtbäumen der
Tropen und einigen wenigen der gemäßigten Zone.
Einförmigkeit des Äquatorialklimas der ganzen Erde. — Die Be-
schreibnng der klimatischen Erscheinungen der Äquatorialzone, welche ich hier gegeben,
stützt sich großenteils auf lange eigene Erfährung, die ich in Südamerika und in der
Snndawelt sammelte. In diesen Ländern herrscht fast durchgängig derselbe Grund-
charakter, nur wenig durch örtliche Verhältnisse modifiziert. Mögen wir in Singapur