Full text: Charakterbilder deutschen Landes und Lebens für Schule und Haus (Theil 3)

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Wer in Pommern den Bauern in seiner Kraft und Stärke, seiner 
Einfalt und Wunderlichkeit genießen will, der suche die Kämmerei- und 
Amtsdörfer auf, wo der vernichtende Kampf zwischen dem großen und 
kleinen Grundbesitz sich noch nicht geltend gemacht hat. In Weitzacker 
bei Pyritz, im Amte Treptow und Rügenwalde, auf den Kämmereidörfern 
bei Stargard kann man noch heute diesen eigentümlichen Menschenschlag 
auffinden, vor dessen breitschultriger, markiger Gestalt man sinnend, wie 
vor einem tiefen Wasser stehen bleibt, dessen Grund man nicht erblicken 
kann. Ein ,,Willkommen" mit einem Händedrucke empfängt den Ein- 
tretenden, ein braun angestrichener hölzerner Stuhl wird dem Gaste 
hingestellt, und nun hat man Zeit, sich im kleinen Zimmer umzusehen, 
welches im Spätsommer oben auf einem Rande längs der Wände mit 
einer Reihe der schönsten Aepsel geschmückt ist, welcher Rand sonst von 
einer Reihe Teller eingenommen wird. Eins oder mehrere Spinnräder 
stehen in der Stube, so wie ein Webestuhl; denn Spinnen und Weben 
sind Hauptbeschäftigungen der Frau, wenn die Wirtschaft sie sonst nicht 
in Anspruch nimmt. Die Mägde müssen eine gewisse Anzahl von Stücken 
spinnen, und wenn Einlieger zum Bauernhofe gehören, so liefern diese 
auch eine bestimmte Anzahl von Stücken ab. Nachdem der eigene Bedarf 
gedeckt ist, verkauft manche Bauernfrau noch für 20 Thaler Leinwand 
auf den großen Leinwandmärkten zu Damm und Stargard; jedoch ist 
in jüngster Zeit auch Baumwolle beim Weben so stark benutzt worden, 
daß der Werth der Leinwand dadurch gesunken ist. 
Die Mahlzeit ist einfach. Im Sommer sieht man Knecht und Magd, 
die ganze Bauernfamilie aus einer großen Schüssel Kartoffeln essen, die 
mit dem Löffel erst zum Munde gebracht werden, nachdem sie in einer 
daneben stehenden Schüssel voll Butter- oder süßer Milch befeuchtet sind. 
Grobes schwarzes Brod, das bei der Arbeit länger den Magen füllen 
soll, als weißes, liegt auf dem Tische; Fleisch giebt es nur an gewissen 
Tagen, besonders in der Erntezeit, wo auch die Frau des Tagelöhners 
die Tafel ihres Mannes mit einem Stücke Speck zu versehen pflegt. In 
der Erntezeit ißt man, wie beim Schlachten, am besten. Als Lieblings- 
essen gelten in Milch gekochter dicker Reis und braun gekochte Fische, 
die bei Hochzeiten, Begräbnissen und Kindelbier verspeist werden. Zu 
einem Gastessen bringt sich Jeder sein Messer mit; die Fischköpfe und 
Gräten werden unter den Tisch geworfen, weshalb beim Aufheben der 
Tafel erst die Mägde mit Besen die Stube auskehren. Das Essen ist 
für den Städter nicht schmackhaft bereitet. Bei Aufhebung des alten 
Jagdrechts befanden wir uns auf der Taufe bei einem Bauer, der zum 
ersten Male Hasenbraten auftischte. Seine Frau, die wohl nicht als 
Köchin auf einem Hose gedient, hatte den guten Lampe wie Hammel- 
fleisch gekocht; trotzdem fanden die Bauern den Hasen in der Wruken- 
suppe sehr schmackhaft und stellten Betrachtungen darüber an, daß der 
gnädige Herr solche Bissen doch nicht mehr allein genieße. Kliebensuppe
	        
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