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am Ufer, ihrer Beute gewiß, die schachbrettförmige Boaschlange. 
Schnell entrollt und vorgestreckt, ergreift sie in der Fuhrt den 
jungen Stier oder das schwächere Wildpret, und zwängt den 
Raub, in Geiser gehüllt, mühsam durch den schwellenden Hals.. 
In dieser großen und wilden Natur leben mannigfaltige 
Geschlechter der Menschen. Durch wunderbare Verschiedenheit 
der Sprachen gesondert, sind einige nomadisch, dem Ackerbau 
fremd, Ameisen, Gummi und Erde genießend, ein Auswurf der 
Menschheit (wie die Otomaken und Jaruren); andere angesiedelt, 
von selbsterzielten Früchten genährt, verständig und sanfterer 
Sitten (wie die Maquiritarer und Maeos). Große Räume zwi¬ 
schen dem Cassiquiare und dem Atabapo sind nur vom Tapir 
und von geselligen Assen, nicht von Menschen bewohnt. In 
Felsen gegrabene Bilder beweisen, daß auch diese Einöde einst 
der Sitz höherer Cultur war. Sie zeugen für die wechselnden 
Schicksale der Völker; wie es auch die ungleich entwickelten, bieg¬ 
samen Sprachen thun, welche zu den ältesten und unvergänglich¬ 
sten historischen Denkmälern der Menschheit gehören. 
Wenn aber in der Steppe Tiger und Krokodile mit Pferden 
und Rindern kämpfen, so sehen wir an ihrem waldigen User, 
in den Wildnissen der Guyana, ewig den Menschen gegen den 
Menschen gerüstet.- Mit unnatürlicher Begier trinken hier ein¬ 
zelne Völkerstämme das ausgesogene Blut ihrer Feinde; andere 
würgen, scheinbar waffenlos, und doch zum Bkorde vorbereitet, mit 
vergiftetem Daum-Nagel. Die schwächeren Horden, wenn sie das 
sandige User betreten, vertilgen sorgsam mit den Händen die 
Spur^ihrer schüchternen Tritte. 
To bereitet der Mensch aus der untersten Stufe thierischer 
Rohheit, so im Scheinglanze seiner höheren Bildung sich stets 
ein mühevolles Leben. So verfolgt den Wanderer über den 
weiten Erdkreis, über Meer und Land, wie den Geschichtsforscher 
durch alle Jahrhunderte, das einförmige, trostlose Bild des ent¬ 
zweiten Geschlechts. 
Darum versenkt, wer im ungeschlichteten Zwist der Völker 
nach geistiger Ruhe strebt, gern den Blick in das stille Leben der 
Pflanzen und in der heiligen Naturkraft inneres Wirken; oder, 
hingegeben dem angestammten Triebe, der seit Jahrtausenden 
der Menschen Brust durchglüht, blickt er ahnungsvoll auswärts 
zu den hohen Gestirnen, welche in ungestörtem Einklang die alte, 
ewige Bahn vollenden. 
101. Die Fülle des Lebens in der Natur. 
Wenn der Mensch mit regsamem Sinne die Natur durch¬ 
forscht oder in seiner Phantasie die weiten Räume der organi¬
	        
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