Das englische Weltreich.
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J. Die (Weltmächte in der Gegenwart
Das englische Weltreich.
Sein Anwachsen. Das 19. Jahrhundert ist für das europäische Festland reich
an großen Kriegen gewesen. Nach dem Zeitalter Napoleons begannen für mehrere
Völker die Kämpfe um nationale Freiheit und Einheit, von den Kriegen des Fest¬
landes ist das englische Inselreich nur wenig erschüttert worden. 3c, die Verwick¬
lungen der anderen Staaten gaben England günstige Gelegenheit, seine eigene Macht
zu erweitern. Zu seinem alten Besitze Australien fügte es immer neue (Eroberungen
hinzu. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erweiterte und befestigte es feine
Herrschaft über Vorderindien. Dann gewann es feinen Besitz in Hinterindien
und wichtige Stützpunkte für seinen wirtschaftlichen Einfluß in China. Ferner schuf
es sich Schritt für Schritt eine herrschende Stellung im ITtittelmeere durch die Er¬
werbung (von Gibraltar,) von Malta, von Zypern und durch die Besetzung
Ägyptens, von Ägypten aus drang es tief in das äquatoriale Afrika ein, und
in Südafrika dehnte sich die englische Kaptolonie immer weiter nach Norden aus.
heute ist das englische Weltreich größer als jemals ein Weltreich zuvor; es umfaßt ein
Fünftel der (Erdoberfläche.
Die Sicherung des Besitzes. Diesen riesenhaften Besitz wußte (England auch weit¬
schauend zu sichern. Den Weg nach Indien um Afrika beherrscht hauptsächlich das
Kapland. Durch den Bau des Sueskanals wurde eine kürzere Verkehrslinie nach Indien
geschaffen und zugleich dem ITtittelmeere eine neue Bedeutung für den Welthandel ge¬
geben. Auf diese Veränderung der Dinge war England schon vorbereitet und nahm
es weitschauend Rücksicht. Durch seine Mittelmeerbesitzungen und Ägypten beherrscht
es den Sucsfanal und dessen nördliche (Eingangsstraße. Es baute Aden zum Kriegs¬
hafen aus, und dadurch bekam es auch den südlichen Zugang zum Boten ITTeere und
zum Sueskanal in seine Gewalt. Alle wichtigen ITT e er esstraften von Vorderindien
bis nach Australien und den Weg um das Kap Horn hat es sich durch eigene Kolonien
und Stationen gesichert. (Es scheut keine Gewalt und bringt jedes Gpfer, um feine
ITTacht immer weiter auszudehnen. Das zeigte in unseren tEagen der Burenkrieg (f.S. 130).
England und Deutschland. Das englische Mutterland ist ein reiner Industriestaat
geworden. Sein Anteil am Welthandel mar von jeher ein ganz gewaltiger, und
die englische Handelsflotte ist so groß wie die aller anderen Länder zusammenge¬
nommen. Diese Entwicklung hat freilich auch ihre Schattenseiten. (England muß
Vierfünftel alles Brotgetreides aus dem Auslande einführen. Wenn ihm wichtige
Absatzgebiete seiner Industrie entrissen würden, so hätten sofort hunderttausende eng¬
lischer Arbeiter keine Beschäftigung, und würde gar die Vorherrschaft (Englands auf
dem Weltmeere vernichtet, so müßte die Bevölkerung verhungern. — Bis vor wenig
Jahrzehnten war die englische Industrie derjenigen aller anderen Länder unbedingt
Schoenborn, Geschichte für Mittelschulen. IV. 9