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Die Französische Revolution hätte die Frage der Teil¬ 
nahme des Volkes am politischen Leben aufgerollt. Die 
Stein-Hardenbergischen Reformen waren auch von der Ab¬ 
sicht getragen, den Staat auf einen neuen Pfeiler, auf die 
Teilnahme der Nation, zu stützen, und in den Freiheits¬ 
kriegen hatte das deutsche Volk seine politische Mündig¬ 
keit bewiesen. Während der Verhandlungen des Wiener 
Kongresses bemühte sich Preußen um die Verleihung der 
Verfassung an die Völker der verschiedenen deutschen 
Staaten, und es war wesentlich sein Verdienst, wenn die 
Bundesakte von 1815 ausdrücklich bestimmte, daß die ein¬ 
zelnen Staaten Verfassungen erhalten sollten. So galt 
Preußen damals nicht nur als der Staat, der die nationale 
Wiedergeburt Deutschlands in den Freiheitskriegen begrün¬ 
det hatte, sondern man betrachtete es auch als den Schöpfer 
der Idee des Verfassungsstaates. Dessen war man sich auch 
am Rhein bewußt, und dieses Bewußtsein förderte in den 
politisch regsamen Kreisen den Anschluß des Rheinlandes 
an Preußen. 
Bei der Besitznahme versprach der König den Rhein¬ 
ländern, daß sie fortan in dreifacher Weise an der Reprä¬ 
sentation des Volkes teilnehmen sollten: sie sollten Provin¬ 
zialstände erhalten, sie sollten an der für den ganzen Staat 
zu schaffenden Volksvertretung teilnehmen, und die Steuern 
sollten fortan unter Zuziehung des Volkes festgesetzt wer¬ 
den. Die Erfüllung dieser Beschlüsse aber verzögerte die 
preußische Regierung anfangs, als aber nach der Gründung 
der Heiligen Allianz (1818) und den Karlsbader Beschlüssen 
(1819) die Reaktion sieghaft vordrang, verweigerte sie die¬ 
selbe. Während die süddeutschen Staaten in den Jahren 
nach 1815 eine Verfassung erhielten, blieb in Preußen der 
absolutistische Staat bestehen. Die Verordnung über das 
Staatsschuldenwesen (17. 1. 1820) und die Einrichtung der 
Provinziallandtage mit beratender, aber nicht beschließen¬ 
der Stimme (5. 6. 1823) befriedigten die Wünsche des Volkes 
nicht. Die Verfolgung der Demagogen — auch E. M. Arndt 
in Bonn wurde seiner Professur entsetzt, und Josef v. Gör- 
res floh — entfremdete das Volk seinem Könige immer 
mehr. Die Julirevolution 1830 in Paris gab dem Streben 
nach politischer Freiheit einen neuen Schwung, und die 
politische Poesie nährte die Hoffnung auf den kommenden
	        
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